Die Graefin der Woelfe
links in seine Backentaschen schob. Leise schloss er das Fenster und ließ sich wieder in die Kissen sinken, er hatte genug gehört. Dieses einfache Volk war zwar abergläubig, aber auch bauernschlau. Außerdem konnten sie gut beobachten. Auch wenn sie oft die falschen Schlüsse zogen, erkannten sie doch, wenn ihnen Gefahr drohte. Darin waren sie ganz wie das Vieh, das schon unruhig wurde, ehe auch nur ein Wölkchen das kommende Gewitter anzeigte. Wie ein guter Knecht auf die Warnzeichen der Rinder achtete, würde auch er auf die Ängste der einfachen Leute reagieren. Er musste aufmerksam sein.
6. Kapitel
Winter 1725/26
» M aria und Josef, Ihr seht ja aus wie ein Gespenst.« Margeth musterte Jakobus, der kaum noch in der Lage war, die Zügel zu halten.
Am Vortag hatte es zu schneien begonnen und der Jäger sah aus, als hätte er weder sich noch der Stute viel Ruhe gegönnt. Zu allem Elend hatte er einen Teil seiner Kleidung der Amme umgehängt, die wie eine verfrorene Katze auf dem Kutschbock saß.
»Los, Marie, mach Wasser heiß und du Marthe, rupf mir ein Huhn, ein fettes. Besorgt Wein und Branntwein, wir müssen ihm sofort ein Lager bereiten.«
Seit zwei Tagen lag neben der Gräfin auch Krysta auf dem Krankenlager, und ohne dass je darüber gesprochen worden war, hatte Margeth die Pflege der Kranken übernommen und teilte sich mit Lucia den Haushalt. Jetzt richtete sie ihre nächsten Worte an Jakobus und ließ keinen Zweifel, dass es sich eher um einen Befehl denn um eine Bitte handelte. »Ihr schlaft im Gesindebereich, Eure Hütte ist zu kalt. Seit der Graf tot ist, gibt es immer weniger Personal und immer mehr Platz. Ihr könnt die Kammer allein nutzen, die Mägde, die hier geschlafen haben, sind alle nicht mehr da.«
»Das wird die gute Krysta nicht freuen«, setzte Jakobus schwach hinzu.
»Krysta liegt seit Tagen in ihrer Kammer. Sie spricht kaum, isst wenig und schläft viel. Ich fürchte, es wird nicht mehr lange mit ihr dauern. Hier geht ohne sie alles drunter und drüber. Die wenigen Dienstboten, die noch da sind, machen, was sie wollen. Doch Ihr legt Euch jetzt brav in Euer Bett, ich bringe Euch gleich etwas von meiner wohlschmeckenden Medizin, mal sehen, wie schnell Ihr wieder auf die Beine kommt.« Margeth versuchte, mit dem Jäger zu scherzen, aber selbst dazu war er zu schwach. Kaum hatte er seinen Kopf auf den frisch aufgeschütteten Strohsack gelegt, war er auch schon eingeschlafen.
Jetzt erst kümmerte sie sich um die Amme. »Lass dich mal ansehen, Kind.« Margeth zog die Willenlose in die Höhe, schnürte ihr Mieder auf und wog ihre schweren Brüste in der Hand. »Da ist genug für deines und die Komtess.« Sie lächelte. »Jetzt gib erst mal den gelben Umhang her, bevor ihn noch jemand sieht«, und an Marthe gerichtet: »Bring ihn in die Waschküche, ich habe dort eine Menge Walnussschalen gesehen, das gibt einen schönen Braunton, ich möchte nicht, dass gespart wird. Ist eine gute Wolle, es soll nichts daran erinnern, nichts und niemand, was der Umhang für eine Farbe hatte.« Das Wort niemand betonte sie deutlich, während sie Marthe warnend ins Auge fasste. Gelb war die Farbe der Huren und Margeth wollte nicht, dass die junge Amme – deren Herkunft ihr vollkommen klar war – von den wenigen Dienern gehänselt würde.
»Jetzt zu dir. Wie heißt du?«
»Svetlana.«
»Es scheint, du hast mehr Milch in den Brüsten als Fleisch auf den Knochen. Du musst essen. Hast du gehört? Außerdem bist du schmutzig wie ein Räuber. Ich werde dir einen Zuber mit Badewasser einlassen. Nach dem Bad sollst du dich gut satt essen, dann bringe ich dich zur Komtess.«
Das Mädchen erschrak und hinter dem ängstlichen Ausdruck ihrer Augen blitzte Trotz. »Ich gehe in keinen Zuber«, erklärte sie entschlossen.
»Ich kann dich auch hineinheben. Mir ist das gleich«, versetzte Margeth ungerührt und zog sie mitsamt ihrem Kind in die Küche. Dort holte sie den Zuber, schüttete ein wenig Ziegenmilch hinein, eine Menge verschiedener Kräuter und übergoss das Ganze mit heißem Wasser. Ehe Svetlana noch davonrennen konnte, hatte Margeth sie auch schon gepackt, ihr das nun weinende Kind aus den Armen genommen, an Lucia weitergegeben und ihr das Oberkleid über die Ohren gezogen. Jetzt hob sie das wimmernde Mädchen mitsamt seinem Untergewand hoch und setzte es in die Wanne. Zwischenzeitlich hatten sich alle verbliebenen Mägde in der Küche versammelt. Margeth wusste, dass sie froh
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