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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Aber ich werde ein Auge auf dich haben, und du wirst oft zum Tee zu mir kommen, wenn du magst.«
    »Oh, ja, Luian.« Qinnitan war sich nicht sicher, womit sie diese Aufmerksamkeit verdient hatte, aber ausschlagen würde sie sie bestimmt nicht. Beziehungen zu einer Begünstigten zu haben, besonders zu einer so wichtigen wie Luian, konnte einen himmelweiten Unterschied machen, wenn es darum ging, wo man untergebracht war, wie tüchtig und taktvoll die Dienerinnen waren, die einem zugewiesen wurden — in allen möglichen Dingen bis hin zur Gunst des Autarchen selbst. »Ja, das würde mich sehr freuen.« Sie blieb in der Tür stehen. »Aber woher wußtet Ihr, wer ich bin? Ich meine, ich muß doch fast noch ein Kleinkind gewesen sein, als Ihr unser altes Viertel verlassen habt — wie habt Ihr mich erkannt?«
    Luian lächelte und lehnte sich in ihre Kissen zurück. »Ich habe dich gar nicht erkannt. Das war mein Vetter.«
    »Euer Vetter?«
    »Der Hauptmann der Leoparden. Der überaus,
überaus
gutaussehende Jeddin.« Luian seufzte auf eine Art, die besagte, daß sie komplizierte Gefühle für diesen Vetter hegte. »Er hat dich erkannt.«
    Plötzlich fiel Qinnitan der ernst blickende Krieger wieder ein. »Er ... hat mich
erkannt?«
    »Und du hast auch ihn nicht erkannt, wie ich sehe. Aber das ist auch kein Wunder. Er hat sich fast so sehr verändert wie ich. Würdest du dich an ihn erinnern, wenn ich ihn Jin nennen würde statt Jeddin? Der kleine Jin?«
    Qinnitan schlug sich die Hand vor den Mund. »Jin? An den erinnere ich mich — ein bißchen älter als ich. Er ist immer meinem Bruder und dessen Freunden nachgelaufen. Aber er war ja so klein!«
    Luian gluckste. »Er ist gewachsen. O ja, das kann man wohl sagen.«
    »Und er hat mich erkannt?«
    »Er glaubte, dich erkannt zu haben, war sich aber nicht sicher, bis er dann deine Eltern sah. Ach, übrigens, bitte schreib deiner Mutter, sie wird zu gegebener Zeit eingeladen, dich zu besuchen, und soll aufhören, uns mit Bettelbriefen zu belästigen.«
    Qinnitan war verlegen. »Das werde ich tun, Begünstigte Lu ... ich meine, ich werde es tun, Luian. Ich verspreche es.« Sie war immer noch verblüfft, daß der muskelbepackte Leopardenhauptmann der kleine Jin sein sollte, ein ewig rotznasiger Junge, den ihre Brüder mehr als einmal so geschlagen hatten, daß er weinend nach Hause gerannt war. Jetzt sah Jeddin aus, als könnte er jeden ihrer Brüder mit einer Hand entzweibrechen. »Ich habe Euch schon zu lange aufgehalten, Luian«, sagte sie laut. »Vielen, vielen Dank für Eure Güte.«
    »Gern geschehen, Liebes. Wir Katzenaugenmädels müssen doch zusammenhalten.«
    »Die Gärten sind herrlich!« sagte Duny. »Und die Blumen riechen so gut. Oh, Qinnitan, du lebst an einem wunderschönen Ort!«
    Qinnitan zog die Freundin von den Kletterrosen weg, zu einer Bank in der Mitte des Innenhofs. Königin Sodans Garten war der größte im Frauenpalast und hatte nur niedrige Hecken, deshalb hatte sie ihn gewählt.
    »Ich lebe an einem sehr gefährlichen Ort«, erklärte sie Duny leise, als sie sich auf die Bank setzten. »Ich bin jetzt zwei Monate hier, und das ist das erste Gespräch, bei dem ich nicht befürchten muß, daß mein Gegenüber mich womöglich vergiftet, wenn ich etwas Falsches sage.«
    Duny klappte die Kinnlade hinunter. »Nein!«
    Wider Willen mußte Qinnitan lachen. »Doch, o doch. Meine liebste Dunyaza, du hast einfach keine Ahnung. Die Gemeinheiten der älteren Schwestern vom Bienentempel, die Art, wie sie die Jüngeren oder Hübscheren schikaniert haben — das war gar nichts. Wenn du hier zu hübsch bist, schubsen sie dich nicht einfach nur auf dem Gang um oder streuen dir Dreck in die Suppe. Wenn hier jemand auf dich eifersüchtig ist und du keine mächtige Beschützerin, hast, bist du bald tot. Fünf Frauen sind schon gestorben, seit ich hier bin. Natürlich heißt es immer, sie seien krank geworden, aber alle wissen, was wirklich passiert ist.«
    Duny sah sie streng an. »Du nimmst mich auf den Arm, Qin-ya. Ich kann das alles nicht glauben. Diese Frauen hat doch der Autarch selbst erwählt!
Er —
gepriesen sei sein Name — würde doch nie zulassen, daß ihnen etwas passiert.«
    »Er
kommt kaum je hierher, und außerdem sind wir Hunderte. Ich glaube nicht, daß er mehr als ein paar von uns kennt. Die meisten Frauen werden aus politischen Rücksichten ausgewählt — du weißt schon, bedeutende Familien in anderen Ländern —, aber manche sind auch wie ich.

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