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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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den Händen knautschte.
    »Was?« Chert sah Flint an, dann wieder Giebelgaup. »Wollt Ihr sagen, Ihr habt vor, kleine Männer mit Pfeil und Bogen auf unsere Schultern zu stellen? Damit sie uns in die Augen oder wer weiß wohin schießen, wenn wir eine falsche Bewegung machen?«
    »Es ist das einzge, was der Hochedle Riecher gelten läßt«, erklärte Giebelgaup. »Mein Wort war Bürgschaft genug für den jungen Herrn, Ihr aber, Herr, seid selbst mir ein Fremder.«
    »Aber Ihr habt ihn doch gehört. Er hat doch gesagt, daß er bei mir wohnt — daß ich sein — hm — Ziehvater bin.« Trotz seines Ärgers konnte sich Chert einer gewissen Belustigung nicht erwehren: Da debattierte er mit diesem absurden Männlein wie mit einer normalen Person! Dann kam ihm plötzlich ein bestürzender Gedanke: Dachten so die Großwüchsigen über ihn — daß es schon ein Akt der Güte war, ihn auch nur wie eine normale Person zu behandeln? Er schämte sich. Gerade ein Funderling sollte doch nicht so dumm sein, andere nach ihrer Körpergröße zu beurteilen. »Ist das alles, was sie wollen? Sich auf unsere Schultern stellen und uns davon abhalten, etwas Unrechtes zu tun?« Er merkte, daß er um Flint ebenso besorgt war wie um sich selbst.
Felsriß und Firstenbruch,
dachte er,
ich werde ein richtiger Vater, ob ich will oder nicht.
»Und wenn einer von uns husten muß? Oder stolpert? Ich habe keine Lust, einen Pfeil, und sei er noch so klein, ins Auge zu kriegen, nur wegen eines Fehltritts oder einer plötzlichen Verkühlung.«
    Der dicke Dachling sagte wieder etwas in seinem hohen Zwitscherton.
    »Der Hochedle Riecher sagt, wir könnten Euch Händ und Füße binden«, erklärte Giebelgaup. Man mußte ihm zugute halten, daß er selbst etwas skeptisch klang. »Es könnt wohl eine Zeitlang dauern, aber dann hätt keiner was zu fürchten.«
    »Ohne mich«, sagte Chert ärgerlich. »Mir Hände und Füße fesseln lassen, hier auf diesem hohen, schlüpfrigen Dach? Nein, ohne mich.« Flint sah ihn an: Das Gesicht des Jungen war ausdruckslos, aber Chert fühlte sich dennoch getadelt, als ob er sich in etwas hineingedrängt hätte, wobei er nicht erwünscht war, und jetzt allen alles verdarb.
    Na ja, vielleicht war ich ja nicht erwünscht. Aber hätte ich den Jungen einjach so aufs Dach klettern lassen sollen, ohne ihm zu folgen? Was wäre ich da für ein Vormund?
Dennoch, es schien an ihm, die Situation auszubügeln.
    »Nun gut«, sagte er schließlich. »Meinetwegen mögen Eure Bogenschützen auf mir sitzen wie Eichhörnchen auf einem Ast. Ich werde mich langsam bewegen und der Junge auch — hörst du, Flint? Langsam. Aber sagt Euren Männern, wenn mich einer von ihnen grundlos verletzt, kriegt Ihr es wahrhaftig mit einem zornigen Riesen zu tun.« Trotz seiner Verwirrung und seiner Angst erkannte er allmählich, daß er für diese Leutchen genau das war — ein mächtiger, furchteinflößender Riese. Chert der Riese. Chert der Dachlingsfresser.
    Ich könnte sie ja auch büschelweise packen und verschlingen, wenn ich wollte, so wie Brambinag Steinstiefel aus den alten Geschichten.
Natürlich behielt er diese Gedanken für sich und saß einfach nur so still wie möglich da, während zwei Mäuse mit je einem Reiter seine Ärmel hinaufkrabbelten. Die kleinen Krallen kitzelten, und er war versucht, die Bogenschützen samt ihren Reittieren einfach zu nehmen und an Ort und Stelle zu setzen, dachte sich aber, daß eine solche Geste mißverstanden werden könnte. Die beiden Gesichter unter den Vogelschädelhelmen waren ängstlich, aber wildentschlossen, und er bezweifelte nicht, daß die Pfeile und Piken dieser Männlein spitz waren.
    »Was soll das eigentlich alles?« fragte er, als die Wachen ihre Posten bezogen hatten. »Junge, ich weiß immer noch nicht, warum du hier bist, wie du diese Leutchen kennengelernt hast, gar nichts. Was soll das alles?«
    Der Junge zuckte die Achseln. »Sie wollen, daß ich ihre Königin treffe.«
    »Du? Warum du?«
    Flint zuckte wieder die Achseln.
    Es ist, als wollte man Granit mit einem aufgeweichten Stück Brot bearbeiten,
dachte Chert. Der Junge war wieder einmal so gesprächig wie eine Wurzel.
    Chert wurde dadurch abgelenkt, daß ein Raunen durch die Menge der winzigen Gestalten ging. Die Höflinge, allesamt sorgsam herausgeputzt mit ihrem groben Stoff und allerlei Schmuck, der aussah wie winzige Stücke von Schmetterlingsflügeln, Kristall und Metall und Federn, so klein, als stammten sie von Kolibribrüsten,

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