Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
das?« fragte Saddler noch einmal aus enger Kehle. »Nie gesehen, so was.«
    »Ich auch nicht. Beck, sagt Euch das etwas?«
    Das Gesicht des Kaufmannsneffen war ziemlich blaß, aber seltsam resigniert, als sähe er jetzt im Wachleben etwas, das er aus bösen Träumen schon lange kannte. Aber er schüttelte den Kopf. »Nein. Als wir ... als sie kamen ... war da nichts Ungewöhnliches. Nur der Nebel, von dem ich Euch ja erzählt habe, diese lange Nebelzunge.«
    »Dort oben am Hang ist ein Haus«, sagte Vansen. »Eine Kate. Sollen wir nachsehen, ob da jemand ist?«
    »Es ist ganz von dem Zeug überwuchert.« Collum Saddler hatte heute nicht viele Witze gemacht; er hörte sich an, als könnte es eine ganze Weile dauern, bis er wieder welche machen würde. »Da ist niemand mehr drin. Das Dorf vorhin war ohne erkennbaren Grund verlassen, wieso sollte dann jemand hier herumsitzen und warten, bis dieses Dreckszeug über ihn hinwegkriecht? Es hat keinen Sinn, da raufzugehen — die sind weg.«
    Das war auch sein Gedankengang gewesen. Ferras Vansen war insgeheim erleichtert. Er hatte keine große Lust gehabt, durch diese Kriechgewächse, die im Wind seufzten und zitterten, zu einem verlassenen Haus zu waten.
    »Ihr habt recht«, erklärte er seinem Leutnant. »Dann reiten wir also weiter, weil das hier wohl nicht der beste Ort zum Kampieren ist.«
    Saddler nickte. Er war ebenfalls froh, wenn es weiterging. Raemon Beck hatte die Augen geschlossen und schien zu beten. Sie ritten stumm durch das Tal, sahen sich nach allen Seiten um, als wären sie in wilden, unbekannten Landen statt auf der vertrauten Settländerstraße. Die Hänge bedrängten sie von beiden Seiten, die Riesenblüten wippten sachte unter den unsichtbaren Fingern des Windes, und die Blätter raschelten, so daß es fast schien, als wären Vansen und seine Männer von flüsternden Beobachtern umgeben.
     
    Zur Erleichterung des gesamten Trupps hörte das Gewirr der schwarzen Schlingpflanzen am Ende des Tals auf, wenngleich der Wald zu beiden Seiten der Hügelstraße weiterhin ungewöhnlich still war.
    Was könnte selbst die Vögel in die Flucht getrieben haben?
fragte sich Vansen.
Das, was auch den Handelszug ereilt hat? Oder sehe ich nur Gespenster? Vielleicht hat ja die Seuche, die der Grund für das verlassene Dorf war, auch die Vögel und übrigen Tiere verscheucht? Wilde Lebewesen wissen vieles, was wir vergessen haben.
    Die tiefhängenden Wolken und seine eigene Stimmung hatten ihm eine ganz gewöhnliche Hügelstraße fast wie eine andere Welt erscheinen lassen. Er fragte sich, wie diese Gegend wohl ausgesehen hatte, ehe sie von Menschen besiedelt worden war.
Die Zwielichtler — wenn die Geschichten wahr sind, dann waren sie lange, lange vor unseren Vorfahren hier. Was haben sie hier gemacht? Was haben sie gedacht, als sie uns das erste Mal sahen — diese rauhen Horden, die übers Wasser oder von Süden her kamen? Hatten sie Angst vor uns?
    Aber die Schattenwesen, wurde ihm klar, hatten ja allen Grund gehabt, die Neuankömmlinge zu fürchten. Denn diese unbekannten Kreaturen sollten ihnen schon bald ihr Land wegnehmen.
    Das alles hier hat einmal ihnen gehört.
Dieser Gedanke war ihm das erste Mal in seiner Kindheit gekommen, an einem Abend, da er durch eigene Unachtsamkeit noch ein ganzes Stück von zu Hause weg gewesen war, als der Tag so schnell, wie das in den Bergen nun einmal ging, zu schwinden begann. Da war plötzlich eine Stille über den Tälern gewesen, beängstigend und magisch zugleich, eine Veränderung des Lichts, als ob der Himmel Luft geholt hätte und für einen Moment den Atem anhielte, ehe er die Sonnenkerze ausblasen würde, und die dunkle Welt aus hundert Geschichten, die er am abendlichen Feuer gehört hatte, war in seinem Kopf aufgestiegen wie Rauch.
Das alles hat einmal ihnen gehört — den anderen. Den Alten.
    Und wenn sie es jetzt zurückhaben wollen? dachte er. Der Hofarzt hatte gesagt, die Schattengrenze verschiebe sich. Wenn es hier um mehr ging als nur um einen Überfallenen Handelszug? Wenn nun das Zwielichtvolk — wie ein ältester Sohn, der aus dem Krieg heimkehrt und feststellt, daß seine jüngeren Brüder sein Erbe vergeuden — beschlossen hatte, sich dieses ganze Land zurückzuholen?
    Und wenn es so ist, was wird dann aus uns? Werden sie uns vertreiben ... oder einfach ausrotten?
     
    Zwei von Vansens Männern fanden sie, als sie Holz sammeln waren. Es mußte ein Tribut an die gedrückte Stimmung aller sein, daß im

Weitere Kostenlose Bücher