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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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heißem Metall — der Atem des Autarchen.
    »Man erkennt ihre Abstammung, finde ich.« Der mächtigste Mann auf Erden streckte die Hand nach ihr aus. Sie zuckte zusammen, hielt dann aber still, während seine Fingerkuppe in ihrem kleinen Körbchen aus warmem Goldgeflecht ihre Wange hinunterfuhr, was in ihrer Vorstellung ihre Haut aufriß und eine blutige Spur hinterließ. Sie machte die Augen zu, hatte das Gefühl, daß sich das Ganze jeden Moment als grausiger Scherz entpuppen mußte und daß jemand vortreten, sie niederwerfen und ihr den Kopf abhacken würde. Das schien ihr fast schon eine Erlösung.
    »Öffne die Augen, Kind. Bin ich so furchterregend? Der Frauenpalast ist voller Frauen, die meine Berührung mit Freuden empfangen haben und anderen, die noch beten, daß ich bald zu ihnen komme.«
    Sie sah ihn an. Es war sehr schwer. Da schien nichts anderes mehr in dem großen Raum, keine Säulen, keine Wachen, nur noch sie und diese Augen von der Farbe alten Leinens.
    »Fürchte dich nicht«, sagte er leise. »Freue dich. Du wirst die Mutter meiner Unsterblichkeit sein, kleine Auserwählte. Eine unvergleichliche Ehre.«
    Sie konnte nicht sprechen, nicht einmal nicken, ehe sie nicht den Kloß in ihrer Kehle hinuntergeschluckt hatte.
    »Gut. Tu, was der alte Priester dir befiehlt, und du wirst eine Hochzeitsnacht haben, die dich weit über alle anderen erhebt.« Er ließ die Hand von ihrem Gesicht zu ihren Brüsten gleiten, und sie spürte, wie sich ihre Brustwarzen unter dem Kleid zusammenzogen wie von Schüttelfrost. »Denk dran, das alles gehört deinem Gott.« Seine Hand glitt über ihren Bauch, und seine Fingerschützer waren so hart und brutal wie Geierklauen, als er ihr achtlos in den Schritt griff. Ihr entfuhr ein kleiner Schreckenslaut. »Bereite dich vor und freue dich.«
    Er ließ sie los, wandte sich ab und hob die Hand. Ein Mundschenk sprang herbei, um ihm etwas zu trinken zu reichen.
    Der Autarch war offensichtlich mit ihr fertig. Panhyssir klatschte in die Hände, und die Wachen brachten sie zur Tür. Qinnitan zitterte so heftig, daß sie beinahe fiel und gestützt werden mußte. Unter ihrem Kleid fühlte sie immer noch seine Berührung, als hätten seine Finger ein glühendes Mal hinterlassen.

20

Im Land des Mondes
    Waldesmitte:
Benenne die Wächterbäume,
Weißherz, Steinarm, Verborgenes Auge, Sternensame,
Verbeuge dich, und sie werden es auch tun, lachend.

Das Knochenorakel
    Barrick kochte vor Wut, weil er mitten in der Nacht in Avin Brones Gemächer bestellt worden war, einmal quer durch den Palast, wie irgendein Höfling. Er knurrte den kleinen Jungen an, der ihm die Tür des Konnetabels öffnete und nicht schnell genug zur Seite trat. Zugleich aber beunruhigte ihn der dringliche Ton der Botschaft.
    »Der Konnetabel ersucht Euch, in seine Räume zu kommen, Hoheit«, hatte ihm der Page erklärt. »Er bittet Euch mit allem Respekt, Euch zu beeilen.«
    Barrick war wieder wie so oft von schlimmen Träumen geplagt worden; als sich die Tür öffnete, fragte sich ein panischer Teil von ihm, ob der Hüne irgendeine Art von Verrat plante. Barrick wäre beinah zusammengefahren, als der Konnetabel durch das kleine Kaminzimmer auf ihn zu kam, in einem monströsen Nachtgewand, die Schnallenschuhe an den bloßen Füßen. Als Brone nichts Verdächtigeres tat, als sich leicht zu verbeugen und ihm die Tür aufzuhalten, überkam Barrick eine andere Angst.
    »Wo ist meine Schwester? Ist sie wohlauf?«
    »Soweit ich weiß, ja. Ich nehme an, sie wird jeden Moment hier sein.« Brone deutete auf einen von zwei nebeneinander stehenden Sesseln. »Bitte, Hoheit, setzt Euch. Ich werde Euch alles erklären.« Sein Bart, ungekämmt und ungeflochten, wucherte ihm wild über Gesicht und Brust: Was auch immer der Grund für diese sonderbare nächtliche Einbestellung war, es war offenbar eingetreten, nachdem der Graf von Landsend bereits zu Bett gegangen war.
    Als Barrick sich gesetzt hatte, ließ Brone seine eigene massige Person auf einen Schemel hinab, so daß der zweite Sessel leer blieb. »Ich habe den Jungen nach Wein geschickt. Bitte verzeiht, daß ich Euch nicht gastlicher empfange.«
    Barrick zuckte die Achseln. »Ich nehme etwas Glühwein.«
    »Eine gute Wahl. In den Fluren herrscht eine garstige Kälte.«
    »Allerdings«, erklärte Briony von der Tür her. »Ich bin sicher, Ihr habt einen guten Grund, mich aus meinem warmen Bett zu holen, Graf.«
    Brionys riesiger samtener Kapuzenmantel vermochte nicht gänzlich

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