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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Briony.« Er weinte jetzt wieder, aber ganz still und mit halb geschlossenen Augen: Die Tränen kamen von irgendwo tief drunten, wie Wasser, das durch rissigen Fels emporquillt. »Du weißt jetzt, was du wissen wolltest. Ich will nicht mehr reden.«
    »Aber ich ... ich möchte dir helfen.«
    »Dann laß mich allein.«

    Der Nebel war so dicht geworden, daß sie dahinwandern mußten wie blinde Pilger: Jeder hielt sich an seinem Vordermann fest und diente wiederum seinem Hintermann als Führer. Nur Willow hatte niemanden vor sich. Sie ging zwar inzwischen langsamer, aber immer noch zielstrebig voran.
    Doff Davis hielt sich an Vansens Mantel fest. Geräusche wurden vom Nebel geschluckt, und manchmal waren selbst laut gesprochene Worte nur ein paar Schritt weiter kaum zu verstehen, aber Vansen meinte, den jungen Soldaten hinter sich wimmern zu hören.
    Sie hatten zweimal geschlafen und waren dazwischen die meiste Zeit marschiert, aber es war weiterhin kein Ende dieses schrecklichen Waldes abzusehen. Ferras Vansen hatte nicht das Gefühl, daß sie im Kreis liefen, wie er und Collum Saddler es getan hatten, aber trotzdem machte es ihn mutlos und verzweifelt, daß der zweitägige Marsch sie noch immer nicht in Menschenlande geführt hatte.
    Es könnte ja sein, daß wir zwar nicht im Kreis marschieren, aber die falsche Richtung eingeschlagen haben. Vielleicht habe ich zuviel Vertrauen in das Mädchen gesetzt.
Der Mond war seit seinem kurzen Gastspiel bei ihrem Aufbruch wieder ebenso gründlich verschwunden wie die Sonne.
Aber vielleicht gehen wir ja doch in die richtige Richtung, und es liegt nur daran, daß sich die Schattengrenze noch weiter verschoben hat.
Das war ein schauriger Gedanke.
Vielleicht liegt ja inzwischen überhaupt alles im Schatten.
    »Weißt du denn wirklich genau, wo zu Hause ist?« flüsterte er dem Mädchen zu. Sie standen alle auf einem Felssims über etwas, das dem Geräusch nach entweder ein ruhiger Bach direkt unter ihnen oder aber ein lauter tief drunten war. Sie gingen auf jeden Fall kein Risiko ein, lehnten sich während der Rast allesamt an die Felswand.
    Sie lächelte ihn an. Ihr schmales, dreckiges Gesicht war erschöpft, aber der Ausdruck fast schon religiöser Verzückung war nach und nach daraus gewichen, ebenso wie die Angst und Verwirrung. »Ich werde hinfinden. Sie haben es nur ganz weit ausgedehnt.«
    »Was ausgedehnt?«
    Willow schüttelte den Kopf. »Vertrau auf die Götter. Sie können durch das ganze Dunkel durchgucken. Sie sehen deine guten Werke.«
    Und meine schlechten,
dachte Vansen. An diesen beiden Tagen — oder was für eine Zeitspanne es auch immer gewesen sein mochte —, die sie sich Schritt für Schritt durch die Nebelsuppe gemüht hatten, war ihm reichlich Zeit geblieben, über sein Versagen als Kommandeur nachzudenken. Zwar hatte sich der schlimmste Schock über den Verlust eines Großteils seines Trupps zu einem ständigen, leisen Schmerz abgeschwächt, aber dafür machte ihm jetzt das Schicksal des Kaufmannsneffen um so mehr zu schaffen. Er sah immer wieder Becks unglückliches Gesicht vor sich.
Der arme Kerl war sich sicher, daß so etwas passieren würde — daß wir ihn wieder in den Schatten zurückschleppen würden und daß das sein Verderben wäre. Und offenbar hatte er recht.
Aber vielleicht waren Raemon Beck und die restlichen Garden ja noch am Leben und irrten auch einfach nur irgendwo umher. Vielleicht würde er sie ja sogar wiederfinden, ehe sie aus dem Schattenland herauskamen. Das war immerhin etwas, woran er sich klammern konnte, eine Hoffnung, die diese trüben Stunden etwas weniger schrecklich machte.
    »Was ist das?« fragte Davis in scharfem Flüsterton und holte Vansen damit jäh wieder an den feuchten, nebligen Felsabsturz zurück, wo der Trupp Rast machte.
    »Ich habe nichts gehört. Was war denn?«
    »So ein Geräusch — da ist es wieder! Es klingt wie ... wie das Klicken von Krallen auf Stein.«
    Ein Gedanke, der niemanden aufmunterte, soviel war Vansen klar. Er selbst hörte nichts, aber Davis hatte mit Abstand die besten Ohren. »Dann sollten wir weitergehen«, sagte Vansen, bemüht, seine Stimme ruhig zu halten. »Willow? Du mußt uns weiter führen, Mädchen.«
    »Führen? Wohin denn?« sagte Westerbur. »Direkt ins Nest eines riesigen Höhlenbären oder so was.«
    »Laßt das«, befahl ihm Saddler scharf. Sie hatten wieder zu so etwas Ähnlichem wie militärischer Disziplin gefunden, aber es war fragil.
    Vorsichtig bewegten sie sich den

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