Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
wahrscheinlich kubanische Produktion, die Dinger sind unheimlich teuer. Aber kommunistisch.« Niemand lachte.
Das Bett war eine etwa zwei mal zweieinhalb Meter große, niedrige Fläche, bedeckt mit Bettwäsche aus lichtblauer Seide. Der einzige Gegenstand, der die Eleganz des Raumes störte, war ein roter seidener Morgenrock, der unordentlich neben dem Bett lag, als habe jemand darauf herumgetrampelt. Das Licht fiel aus drei hohen, schmalen Fenstern an der linken Seitenwand ins Zimmer, zusätzlich waren sechs kleine Spots an den Deckenbalken eingeschaltet.
»Das sieht nach verdammt viel Geld aus«, sagte eine junge Frau. »Und es muffelt.«
Der Tote lag auf dem Bauch in der rechten Hälfte des Bettes. Er hatte volles silbriges Haar, sein Gesicht war in einem der blauen Kissen vergraben.
»Wenn Sie die Todesursache sehen wollen, dann bewegen Sie sich bitte rechts an der Außenwand entlang und gehen dann mit drei, vier Schritten zu ihm hin. Treten Sie dabei aber bitte nicht auf den Morgenrock, denn der birgt möglicherweise DNA -Material. Wir haben den Weg für Sie durch gelbe Linien markiert.«
Der Mann, der das sagte, war klein, rund und wirkte gemütlich, vielleicht fünfzig Jahre alt. Er setzte hinzu: »Mein Name ist Hagemann, ich gehöre zur lokalen Kripoeinheit. Wir wollen systematisch vorgehen und bekommen Hilfe vom BKA . Die Damen und Herren sind soeben eingetroffen. Wenn Sie den Toten näher betrachten wollen, um das Tötungsinstrument zu sehen, halten Sie sich an den gelben Weg, und gehen Sie bitte einzeln.«
»Wie heißt der Tote, wo kommt er her, wer hat ihn gefunden?«, fragte ein Mann in einem Trenchcoat, hager, mittelgroß. »Lindemann, BKA Berlin.«
Hagemann antwortete: »Doktor Thor Lewen, Anwalt und Notar, Inhaber einer großen Kanzlei in Hannover. Er ist siebzig Jahre alt. Er hat dieses Haus vor einigen Jahren gekauft und anschließend nach seinen Wünschen umbauen lassen. Soweit wir wissen, ist er nur noch selten in der Kanzlei tätig und lebte zumeist hier. Er ist privat wohl ein Spezialist für das Thema Martin Luther, deshalb auch diese Stadt. Gefunden wurde er von einer Frau, die in der Nähe wohnt und ihm den Haushalt macht. Ihr Name ist Hermine Glauber, sie wartet unten in einem der Wohnräume und steht uns als Zeugin zur Verfügung. Entdeckt hat sie die Leiche am späten Nachmittag, als sie zum Saubermachen kam. Sie war bereits am Morgen hier gewesen, um das Frühstück anzurichten, und ging dann wieder heim. Sie sah ihn bei der Gelegenheit nicht, sagt aber, das sei normal gewesen. Die Frau meint auch, dass keine Freunde oder andere Besucher angekündigt waren. Die übrigen Mahlzeiten, wenn Freunde und Bekannte hier waren, nahm Thor Lewen in den Kneipen und Restaurants der Innenstadt ein. Er war als ein hochgebildeter, freundlicher Mann bekannt, sehr offen. Wir haben keine Informationen darüber, ob irgendein Mensch ihn im Laufe des Tages besuchte. Das muss aber geschehen sein, denn nach Ansicht des Arztes ist er etwa gegen vierzehn Uhr gestorben. Es wäre gut, wenn wir in etwa zwanzig Minuten mit genauen Tatortuntersuchungen beginnen könnten, die Obduktion der Leiche ist schon in zwei Stunden vorgesehen. Ich stehe jederzeit zur Verfügung, wenn Fragen anstehen sollten.«
Dehner bemühte sich, die gelben Streifen auf dem Boden nicht zu übertreten,.
Er hatte die Kamera vor dem Bauch, hob sie ans Auge und fotografierte die Leiche. Bestimmte Punkte löste er mit einem Teleobjektiv aus ihrer Umgebung heraus. Die Gitarrensaite in diesem Altmännerhals, den leicht klaffenden Mund, das rechte, starre Auge. Dann fotografierte er das ganze Bett mit dem Toten darin, im Hintergrund links die Liege mit dem Lichtspot.
Der Tote war ausgesprochen schlank, das nach rechts geneigte Gesicht wirkte aristokratisch. Ein anderer Ausdruck fiel Dehner dafür nicht ein.
Dann der Draht, eigentlich geschaffen, um zu klingen, um Musik zu machen. Hatte der Mann gespürt, dass dieser Draht ihn töten würde? Hatte er in der einen oder anderen Sekunde überhaupt etwas gedacht?
Die Gitarrensaite schnitt sehr tief in den Hals ein, ein blutroter Striemen, der an der rechten Halsseite zu einem echten Schnitt geworden war. Er hatte sehr viel Blut verloren. Vielleicht war die Halsschlagader angerissen worden.
Der Tod ist sehr plötzlich gekommen, dachte Dehner. Er hat nichts geahnt, wie denn auch? Warum hat sie ihn getötet? Es schien alles so sinnlos, er war doch nur ein alter Mann.
Dann drehte Dehner sich herum
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