Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
gehört«, stellte Müller fest.
»Doch, doch«, widersprach Probst. »Als sie die Sache mit Grooms anfing, da habe ich mich abgesetzt. Was sie da gebracht hat, war einfach zu viel. Ich wurde ja auch älter, ich kam in die Lehre, nur Kiri rannte immer noch rum, als würde sie nie erwachsen. Und sie redete nur noch dummes Zeug. Und dann hat sie Grooms erpresst, und ich habe gesagt: Jetzt ist Schluss mit uns, das mache ich nicht mehr mit.«
»Madeleines Mutter hat uns diese Geschichte berichtet. Sie haben dann früh geheiratet«, warf Svenja ein.
»Ja, leider«, sagte er. »Meine damalige Freundin kriegte ein Kind von mir. In so einer Situation zu heiraten ist hier immer noch Brauch.«
»Stimmt es, dass Kiri Sie erpressen wollte, um das zu verhindern?«, fragte Müller.
»Ja, das stimmt. Sie kam in mein Elternhaus, und wir sprachen darüber, und sie sagte, wir sollten einfach abhauen und irgendwo heiraten. Ich sagte, sie wäre total bescheuert, und sie sagte: Dann nehme ich mir das Leben! Ich war vollkommen fertig, ich habe das wirklich geglaubt. Also, meine ganze Hochzeitsfeier habe ich nur wie im Tran erlebt, ich dachte dauernd: Jetzt hat sie sich irgendwo aufgehängt.«
»Stattdessen ist sie am Tag ihres achtzehnten Geburtstags bei ihrer Mutter ausgezogen. Aber sie kam zurück, oder?«
»Ja, klar. Sie musste der Clique doch beweisen, dass sie auf der Siegerstraße war, dass sie Erfolg hatte.«
»Wie oft ist sie denn zurückgekommen?«, fragte Müller.
»Das weiß ich nicht genau. Aber das ging sicher vier Jahre lang. Meine Frau bekam ein Kind, und Kiri kreuzte auf. Meine Frau glaubte natürlich, ich hätte was mit der. Das hat auch irgendwie dazu beigetragen, dass wir uns dann scheiden ließen. Es war jedenfalls Scheiße!« Und plötzlich lag Wut in seiner Stimme. »Das muss man sich mal vorstellen. Sie fuhr bei uns vor. In einem Jaguar, englisch grün. Aber sie wollte nicht zu uns reinkommen, sie sagte, meine Frau sei eine Hure. Ich weiß noch, einmal regnete es, und sie saß in der Nacht in diesem blöden Auto auf der Straße rum. Ich habe sie angeschrien, sie sollte doch endlich verschwinden. Und was passierte? Sie saß da, griff in irgendeine Tasche und hielt große Geldscheine vor mich hin. Zwanzig, dreißig, ich weiß nicht mehr, wie viele. Sieh mal, sagte sie, Kohle ohne Ende! Sie hat überhaupt nicht verstanden, dass unsere Zeit vorbei war, dass wir keine Kinder mehr waren.« Dann hatte er Tränen in den Augen und weinte ganz still. Sein Gesicht wirkte gequält.
»Sie hat also viel kaputtgemacht«, sagte Müller. »Darf ich mal etwas anderes fragen? Madeleines Mutter, die interessiert uns wirklich.«
Er brauchte einige Zeit, bis er wieder sprechen konnte. »Diese Frau ist einfach furchtbar«, sagte er schließlich mit fester Stimme. »Sie hat im Dorf wirklich einen schlechten Ruf. Und wie sie mit den Männern rumgemacht hat, hatte sie den ja zu Recht. Und dann das Gerede. Wie die Mutter, so die Tochter! Ich hatte dauernd Krach zu Hause. Meine Eltern sagten, wir schmeißen dich raus, wenn das so weitergeht. Heute weiß ich, dass sie recht hatten. Aber damals habe ich sie nicht verstanden. Ich habe nur immer gesagt: Kiri ist nicht so, Kiri ist ganz anders! Aber sie war in Wirklichkeit nicht anders.«
»Aber sie muss doch bei dieser Mutter viel Schlimmes erlebt haben«, sagte Svenja. »Sie war doch nicht von sich aus so?«
»Kiri hatte nie eine richtige Chance«, sagte Probst. »Sie musste so werden, wie sie ist. Da gab es diesen Rocky. Ich gehe jede Wette ein, dass der Kiri vergewaltigt hat. Und zwar mehr als einmal. Ich kann das nicht beweisen, aber das muss einfach so gewesen sein. Denn sie hat ihm ein Fleischermesser in den Oberschenkel gerammt. Der wäre beinahe verblutet, der Notarzt konnte ihn gerade noch retten. Dieser Rocky war eine richtige Sau, oder vielmehr ist eine richtige Sau. Im Dorf sagen sie, dass er immer noch bei der Mutter auftaucht, sich vollfrisst und vollsäuft. Der war damals rechts außen, also mit so Typen zusammen, die schwere Motorräder fahren und Adolf verehren und so was und auch kriminell sind.«
»Und? Was hat Kiri dazu gesagt?«, fragte Svenja.
»Der war das scheißegal, sie hat sich weggedröhnt mit Hasch und so was.«
»Wissen Sie eigentlich, wo ihr Vater abgeblieben ist? Er soll Franzose gewesen sein«, fragte Müller.
»Es wird erzählt, er wäre einfach abgehauen. Er hätte es mit der Frau nicht ausgehalten. Kiri jedenfalls hat ihn nie im Leben zu sehen
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