Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
sehr seltenes Exemplar zu betrachten, aber er ist eindeutig auch der weltbeste Hacker – also darf er alles.«
»Ich will eine Zigarette!«, beharrte Svenja.
»Ich hatte mal welche. Die müssen hier irgendwo sein«, sagte Goldhändchen. »Hier sind sie!« Triumphierend hielt er eine Schachtel hoch und warf sie ihr dann zu.
»Danke!«, sagte Svenja müde. »Hast du auch Feuer?«
»Feuer? Feuer habe ich nicht. Wer braucht schon Feuer? Aber warte mal.« Er schnurrte in ein unsichtbares Mikrofon: »Sag mal, Goldie, mein Fräulein, habt ihr da so etwas wie Feuer? Wie heißen denn die Dinger? Ach ja, Streichhölzer. Oder ein Feuerzeug. Dann komm sofort damit rüber, dalli, dalli.«
Schließlich öffnete sich irgendwo eine verborgene Tür, und ein zierliches weißblondes Wesen schlängelte sich durch das Blättergewirr zu Goldhändchen durch und reichte ihm ein Feuerzeug. Der gab es weiter an Svenja und bemerkte: »Sag bloß niemandem, dass ich dich hier rauchen lasse. Das würde meinen Ruf total ruinieren.«
Svenja wollte nicht wirklich rauchen, außerdem gab es keinen Aschenbecher, und sie fürchtete sich vor dem erneuten Durcheinander, das eine Frage danach wahrscheinlich auslösen würde. Also paffte sie ein paarmal und trat dann die Zigarette mit dem rechten Schuh aus.
»Habt ihr die Nachricht denn geortet? Wo kam sie her?«, fragte sie.
»Auf jeden Fall Tripolis«, antwortete Goldhändchen. »Das ist schon mal sicher. Meine Geräte sagen, dass er einen Festnetzanschluss benutzte und dass er nicht im Geringsten nervös war. Das kann ich an der Stimmmodulation ablesen. Kluge Maschine. Das Einzige, was ich noch nicht weiß, ist, was mein Chef daraus machen wird. Aber der ist ja ein helles Köpfchen, dem fällt doch dauernd etwas ein, was wir traurigen Angestellten dann für ihn umsetzen dürfen. Auf jeden Fall, so viel ist schon mal sicher, werden sie Dehner schicken. Ich nehme an, gleich mit der ersten Maschine, die rausgeht.« Dann wandte er sich wieder ihr zu und lächelte sie ein wenig traurig an: »Und du, mein Mädchen, würdest gern mit einer Schnellfeuerkanone in Tripolis auftauchen und allen Feinden den Garaus machen. Nein, widersprich mir jetzt nicht, ich weiß es.«
»Das ist doch sinnlos«, sagte Svenja düster. »Kann ich noch einmal den Wortlaut haben?«
»Aber sicher«, sagte Goldhändchen. »Nicht erschrecken, die Aufnahme kommt jetzt von rechts hinter dir.«
Es gab ein kurzes Rauschen, dann ertönte eine sehr harte Stimme voller aufgesetzter Heiterkeit in gutem Englisch. »Hier ist Quelle Sechs aus Tripolis. Guten Abend, meine Herren. Ich entschuldige mich, dass ich so lange nichts von mir hören ließ, aber die hiesigen Zustände machten das unmöglich. Ich habe hier den ehrenwerten Sicherheitsberater der Bundesrepublik Deutschland mit Namen Doktor Kai Dieckmann, von Ihnen geschickt. Er kann zurzeit leider nicht persönlich sprechen, er ist noch ein wenig wirr im Kopf. Ich schlage Ihnen ein Geschäft vor: Sie schicken mir einen Jet nach Tripolis und fliegen mich nach Beirut aus. Im Gegenzug werde ich Ihnen den Doktor Dieckmann nach der Landung in Beirut lebend übergeben. Falls Sie mich linken wollen, so antworte ich Ihnen mit einer schnellen Kugel in den Kopf dieses sicher sehr wertvollen Spions. Und noch etwas möchte ich erwähnen: Wohin mich das Schicksal auch verschlägt, ich könnte Ihnen dort ein guter Agent sein.« Er lachte kurz auf. »Für mich, daran möchte ich Sie eindringlich erinnern, geht es um das Leben, und Kompromisse werde ich nicht eingehen. Ich gebe Ihnen jetzt eine Nummer durch, die mich eindeutig ausweist.« Dann folgte eine sehr lange Serie von Zahlen.
»Er hat seine Notrufziffern in der richtigen Reihenfolge genannt, er ist echt«, murmelte Goldhändchen.
»So eine Scheiße!«, sagte Svenja schluchzend, stand auf und ging hinaus.
Goldhändchen sah ihr mitfühlend hinterher, bis ihm nur wenige Sekunden später schlagartig bewusst wurde, was er getan hatte.
Er hatte ihr die Wahrheit geschenkt, von der sie eigentlich kein Körnchen haben durfte, sie hatte ihn schlicht gelinkt.
»Satansbraten!«, brüllte er.
FÜNFTES KAPITEL
Als Müller langsam wach wurde, hatte er einen quälend trockenen Mund. Er blieb einfach auf dem Rücken liegen und gab nicht den geringsten Laut von sich, um nicht zu verraten, dass er wieder bei Besinnung war.
Es war nicht das erste Mal in seinem Leben, dass jemand ihn bewusstlos geschlagen hatte, und er spulte ein Programm ab, das die
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