Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
darauf gehen die Leute in Beirut nicht ein. Und schon gar nicht auf acht bewaffnete Libyer, die mit einer Knarre in der Hand zum letzten Gefecht antreten, weil sie befürchten müssen, ausgeliefert zu werden.«
»Es sind keine Libyer, sondern US -Amerikaner«, widersprach Quelle Sechs.
»Moment mal«, schnauzte Krause, »Sie wollen mir weismachen, dass Ihre Leibgarde aus Amerikanern besteht?«
»Genau das. Die Vereinigten Staaten von Amerika sahen in mir jahrelang einen engen Verbündeten, wie Sie wissen. Und die amerikanischen Jungs wollen heil nach Hause kommen.«
»Warum machen Sie es nicht so einfach wie möglich? Das bedeutet, dass Sie und unser Mann in die Maschine einsteigen und dass Sie sich in Beirut trennen.«
»Meine Jungs sind sehr pflichtbewusst. Die schützen mich, das steht so im Vertrag.«
»Das mag ja sein, aber Sie sollten es trotzdem ganz schnell vergessen. Darauf kann ich nicht eingehen. Und Beirut wird dem nicht zustimmen.«
»Dann stirbt Ihr Mann.«
»Wohl kaum«, sagte Krause scharf. »Das werden Sie, mein General, nicht riskieren, denn das wäre auch das Ende Ihres Lebens. Sie wollen raus aus Tripolis, damit bin ich einverstanden. Sie steigen mit meinem Mann in den Flieger ein, in Beirut wieder aus, und das war es dann. Und das Ganze ohne schießwütige Amis.«
»Aber ich sage Ihnen, dass …«
»Merken Sie sich eines: Sie können sagen, was Sie wollen, ich glaube Ihnen nicht. Sie haben einen schlechten Ruf, Ihre Zeit ist um, genauso wie die Ihres Staatschefs. Diese Situation ist neu, und Sie wissen das genau. Wir brauchen hier zwei Stunden, um das durchzugehen. Und wir müssen erneut mit Beirut sprechen. Bei uns ist es jetzt zweiundzwanzig Uhr. Wir melden uns, wenn wir so weit sind.«
»Warum soll das nicht gehen?«, fragte Quelle Sechs.
»Weil Sie weltweit bekannt sind. Weil ich nicht die geringste Lust habe, den Leuten im Libanon ein gigantisches Massaker zu liefern. Und was geschieht, wenn die Rebellen in Ihrem Land erfahren, dass Sie sich absetzen wollen und schon auf dem Flughafen sind? Dann stürmen die Ihren gottverdammten Flughafen. Und ich habe überhaupt keine Veranlassung, das Wohl und Wehe eines sehr fähigen Teams im Cockpit von der Gnade acht schwer bewaffneter Männer abhängig zu machen, abgesehen von meinem Agenten. Mag sein, dass Sie in Ihrem alten Staat tun und lassen konnten, was Sie wollten. Das gilt jetzt nicht mehr. Und die Leute, die in Beirut mit Ihnen zu tun bekommen, wollen keine Waffen. Over.« Krause sank aufseufzend in sein Sofa zurück und schnaubte: »Verdammt, der Kerl ist total verrückt, völlig übergeschnappt. Was machen wir jetzt?«
»Jetzt überlegen wir gründlich«, schlug Esser vor. »Du solltest mit Gregor von der CIA sprechen. Wir müssen diese Amerikaner unbedingt aus dem Deal heraushalten. Das geht schief, wenn die in die Maschine steigen und jemand die Nerven verliert. Beirut hat klar gesagt: Keine Waffen, nicht mal eine Nagelfeile! Nur unter dieser Bedingung sind sie überhaupt bereit, die Maschine landen zu lassen. Beirut hat in den letzten Jahren auf Frieden und Neustart gesetzt. Die werden das unter keinen Umständen leichtfertig aufgeben wollen.«
»Goldhändchen, hören Sie mit?«, blaffte Krause.
»Aber ja.«
»Holen Sie mir bitte Gregor in die Leitung. Können Sie den Apparat von Quelle Sechs kontrollieren?«
»Kann ich nicht, jedenfalls nicht jetzt. Aber ich weiß inzwischen, dass Quelle Sechs in Beirut von einem Empfangskomitee um Ben Abraham erwartet wird. Ben Abraham gilt als blutiger Krieger, und auf sein Wort ist keinerlei Verlass. Die Leute vom Beiruter Flughafen wollen den unter keinen Umständen auf dem Gelände haben. Abraham ist bekannt als ein Mann, dem schon mal die Waffe versehentlich losgeht. Im Moment ist nicht einmal klar, wen der Kerl gerade vertritt: die Christen oder die Schiiten oder eine dritte, vierte, fünfte Gruppe. Abraham ist jedenfalls kein akzeptabler Partner für den Flughafen Beirut. Das wird schwierig, Sir, sehr schwierig. Quelle Sechs hat auch in Beirut keinen guten Ruf. Es ist in all den Jahren immer wieder passiert, dass er sich nicht an Absprachen gehalten hat, und er ist, pardon, ein brutales Schwein. Anders kann ich das nicht formulieren. Da ist noch Thomas Dehner in der Rechnung. Der hat inzwischen Frau Takamoto getroffen und hockt zusammen mit ihr und Moshe Jugo vom Mossad auf dem Flughafen Tripolis. Sie haben Quelle Sechs samt Entourage in der Lounge für Besserverdienende geortet
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