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Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)

Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Grenzgängerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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bitte auf die magischen Buchstaben AX (d). Das ist das Kürzel, unter dem unser Informant im Rechnungs wesen hier im Haus geführt wird. Und niemand, ich wiederhole, niemand darf das wissen oder jemals gewusst haben. Und trotzdem ist es passiert.« Dann verschwand er und zog die Tür ganz leise hinter sich zu.
    Als er wieder in seinem Kommandostand vor den Bildschirmen saß, fragte er sich, ob er mit seinen Erkenntnissen noch ein wenig warten sollte. Er fand es bedrückend, dass Krause für sein Alter eine entschieden zu hohe Schlagzahl an Arbeitsstunden hinlegte. Aber dann siegte der Jäger in ihm, und er klinkte sich in die offene Leitung zu Krause ein.
    Er sagte knapp: »Ich hätte da was!«
    »Na, dann legen Sie mal los«, sagte Krause nach einem Seufzer.
    »Erstens hat sich Gregor von der CIA gemeldet. Er lässt ausrichten, dass er den nächsten Flieger nach Europa nimmt und in acht Stunden in Berlin ankommen wird. Er bittet um das Material aus Tripolis in einem Diplomatenkoffer mit Siegel. Er wird keine Zeit haben, das Material zu prüfen. Er sagt, er hat eigentlich gar keine Zeit. Ich habe das gegengecheckt und festgestellt, dass er nur drei Stunden später auf einer Maschine ist, die Berlin–London–Washington geht. Also das Übliche, die ganz normale Hetze. Ich frage mich allerdings, wie Sie beide zusammenkommen. Wie soll das gehen? Gregor zu Ihnen nach Hause?«
    »Auf keinen Fall«, entgegnete Krause scharf. »Sagen Sie Gillian bitte, sie soll den kleinen Konferenzraum neben Esser ein wenig herrichten. Und ich brauche Esser und Sowinski zu dem Termin. Ein Wagen soll mich abholen, dann muss ich eben durch die Hintertür reinkommen.«
    Goldhändchen lachte.
    Krause fragte: »Noch etwas?«
    »Ja. Ich habe Madeleine Wagner in Braunschweig recherchiert. Das Material liegt abrufbereit bei Esser. Es existiert eine Mutter namens Ulrike. Sie ist vierundfünfzig Jahre alt. Nach Ansicht des zuständigen Jugendamtes eine unmögliche Person. Sie verkauft Talismane, rostige alte Nägel, Stückchen von roter Koralle, winzige Halbedelsteine, kleine Stoffpuppen, Kreuze aus alten, vertrockneten Baumästen, mit denen man Gegner verhexen kann. Sie behauptet, sie könne in die Zukunft sehen, und es kostet offiziell zweihundert Euro, von ihr empfangen zu werden. Aber notfalls macht sie es auch für einen Zehner. Sie ist arbeitslos, hat keinen Beruf erlernt und lebte nach Auskunft des Jugendamtes in den letzten dreißig Jahren mit grob geschätzt acht bis zehn verschiedenen Männern. Sie wird vom Sozialamt gesponsert. Und sie ist beim nächsten Lidl-Markt und beim ALDI insgesamt vierzehnmal wegen Diebstahls von billigen Nahrungsmitteln aufgefallen. Meistens war es Schokolade; seltener Schnaps.«
    »Das hört sich nicht gut an«, murmelte Krause.
    »Nein. Aber vielleicht sollten wir besser auf die Dame verzichten«, äußerte Goldhändchen vorsichtig.
    »Aus welchem Grund?«, fragte Krause schnell.
    »Weil sie eine Ansammlung trivialer Lebensumstände zu sein scheint. Das Übliche eben: Niemals hat irgendwer sie wirklich ernst genommen, also wurde sie eine Hexe oder irgendetwas in der Art. Acht bis zehn Kerle ausprobiert, und keiner war der Richtige. Das ist so mittelmäßig, dass es schon wieder rührend ist. Das klingt nach einem Lebenslauf in der Kanalisation.«
    »Das mag so scheinen«, stimmte Krause zu, »aber eigentlich suche ich nach so etwas.«
    Sie hatten sich in Bens Kneipe auf die hohen Hocker am Tresen gesetzt und ein paar Kleinigkeiten zu essen bestellt. Mettbrötchen, die legendär waren, kleine Portionen Krabben mit Schwarzbrot und ein halbes Forellenfilet mit ein wenig Meerrettich.
    »Sie hat mich richtig aufgemischt«, sagte Müller trocken und wütend. »Sie war so hilflos und hat dauernd geweint, und ich hatte, verdammt noch mal, kein einziges gutes Argument, außer der Versicherung, dass ich sie ohne Zweifel verstehe und dass ich mir sehr gut vorstellen kann, warum sie nicht mehr bei ihrer Mutter leben will. Was hätte ich denn sagen sollen? Und sie hat ganz ernsthaft vorgeschlagen, dass sie für mich kocht, wenn ich von einem Einsatz nach Hause komme. Irgendwann habe ich gedacht, ich müsste gleich selbst heulen. Sie war so ernsthaft, sie hatte diesen ganz großen Kummer. Und ich wusste die ganze Zeit, dass sie nichts von mir weiß und ich eigentlich auch nichts von ihr. Ich habe keine Ahnung, wovon sie träumt, welche Musik sie gern mag, was für ein Leben sie führt, was sie wirklich über ihre Mutter

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