Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
denkt. Nur immer dieser verdammte Ronald, der ihr auf die Nerven geht.«
»Du liebst sie, nicht wahr?«, fragte Svenja leise.
»Ja, Gott sei Dank, das habe ich deutlich gespürt.«
»Und dann kam deine Wohnung.«
»Dann kam die Wohnung. Ich wusste nicht, wohin mit ihr, ich hatte keine Lust auf Eis essen, und sie wollte auch nirgendwohin, sie wollte einfach nur über diesen Kummer sprechen, verstehst du? Dann weinte sie dauernd, und ich dachte, alle Leute, die uns begegnen, sehen das und denken weiß Gott was. Da habe ich gesagt: Komm, wir fahren in meine Wohnung, da können wir in Ruhe weiterreden. Also haben wir ein Taxi genommen und sind hingefahren. Wir gehen das Treppenhaus hoch, und da sehe ich, dass die Wohnungstür nur angelehnt ist. Die Wohnung war offen, das Schloss war herausgestemmt. Ich glaube, ich habe ziemlich blöd geschaut. Wir sind rein. Dann habe ich gesehen, dass die Wohnung auseinandergenommen worden war. Sie haben schlicht alles durchsucht und wahrscheinlich nichts gefunden. Sämtliche Schubladen auf den Boden entleert, sogar in der Küche. Sie haben sämtliche Polster und Kissen aufgeschlitzt. Die Bude ist ein einziges Trümmerfeld. Ich bin nach Standard vorgegangen, habe Sowinski kontaktiert, weil das Vorschrift ist. Er hat mir Leute geschickt, und die haben uns weggeschickt. Anna-Maria hatte natürlich schreckliche Angst. Ich habe uns ein Taxi gerufen und bin mit ihr zu meiner Ex gefahren. Das Mädchen war total verwirrt. Ich musste ihr versprechen, mich sofort zu melden, wenn ich irgendetwas weiß. Es war ein richtig schöner Tag, verdammte Scheiße.«
»Haben die wirklich was gesucht?«, fragte Svenja.
»Nein«, antwortete er. »Wer immer diese Leute sind: Sie wollen etwas demonstrieren, sie wollen sagen: Wir haben dich identifiziert, wir wissen, wer du bist und was du tust. Es ist dieselbe Geschichte wie mit dem Foto von uns beiden. Ich habe keine Ahnung, was dahintersteckt, aber es sieht nicht harmlos aus, wir sollten uns Sorgen machen.«
»Hat Sowinski schon angerufen?«
»Nein. Aber er sagte, er wird die Polizei hinzuziehen. Das muss er schon aus versicherungsrechtlichen Gründen. Er lässt eine neue Tür einsetzen und basta.« Müller hob den rechten Arm. »Ben, kann ich noch ein Pils haben?«
»Dann gehen wir fröhlichen Zeiten entgegen, und ich kann darauf warten, dass jemand meine Wohnung verwüstet.« Svenja seufzte. »Vielleicht sollten wir eine Hotelsuite nehmen. Ich frage mich, was da im Hintergrund abläuft. Ich glaube nicht mehr, dass das alles nur mit Atze zu tun hat. Ich glaube viel eher, dass jemand daran arbeitet, unseren Präsidenten aus dem Amt zu schießen, und natürlich auch Krause, Esser und Sowinski. Irgendjemand will die große Veränderung, den ganz großen, neuen Anfang. Und die Chance dazu bekommt er nur, wenn er alles, was steht und funktioniert, kaputtmacht, irgendwie.«
»Das denke ich auch.« Müller nickte. »Haben sie dich jetzt eigentlich gefeuert?«
»Nein, haben sie nicht. Krause sagt, sie werden mich abmahnen. Er meint, ich soll mich einfach aus allem heraushalten. Ich habe ihm diese Dealernummer erklärt, und er sagte, er habe sich das genauso vorgestellt. Er war ganz merkwürdig, beinahe irgendwie unsicher. Nicht unsicher bei mir, da war er klar. Aber unsicher, was ihn selbst anbelangt. Er sagte, die Rechtsabteilung werde ihn anhören, er sagte auch, sie würden dich anhören, und natürlich auch Dehner. Und wenn ich ihn richtig verstanden habe, geht es bei ihm darum, ob er mich erstens verteidigt, und zweitens, ob er mich unbedingt halten will. Wenn er sich dazu entschließt, dann haben die unbekannten Gegner ein echtes Problem. Ich war so glücklich, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Ich habe gedacht, ich sitze bei meinem Papa und darf Weihnachtsgeschenke aufpacken.« Sie wischte sich über die Augen.
VIERZEHNTES KAPITEL
Thomas Dehner saß in dem halbdunklen Flur in der Rechtsabteilung und fragte sich, was auf ihn zukommen könnte. Er fühlte sich unbehaglich.
Dann kam die blonde Frau aus einem Büro und sagte unfreundlich: »Sie können jetzt hineingehen! Sie werden erwartet.«
»Ach ja?«, sagte er bockig. Er kam sich vor wie ein Bittsteller. Er ging hinein und sah den Vertreter der Rechtsabteilung an: »Sie wollten mit mir sprechen.«
Der Mann stellte sich nicht vor und nickte nur. »Nehmen Sie Platz.« Dann wartete er, bis Dehner saß, und sagte: »Das mit Tripolis war ja eine sehr unangenehme Mission für Sie. Ich nehme
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