Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
Training immer wieder betont: »Wenn Sie zu zweit in einem großen Raum sind und von einer Waffe bedroht werden, bemühen Sie sich um den höchstmöglichen Abstand voneinander. Jeder Winkel ab etwa neunzig Grad, von der Sie bedrohenden Waffe aus gesehen, ist gut, jeder über einhundertzwanzig Grad erledigt Ihr Problem.«
»Er kapiert es nicht«, sagte Svenja. Sie hatte ihre Glock in der Rechten, ließ sie einfach an ihrer Seite baumeln.
»So sind sie«, seufzte Müller. Seine Waffe trug er links, es war eine Walther PPK , an die er sich schon im Polizeidienst gewöhnt hatte.
»Lassen Sie es einfach sein«, sagte Svenja ruhig zu Livio. »Das wird sonst ein Tontaubenschießen, und das wollen wir doch nicht. Sie kommen hier nicht mehr raus.«
»Wenn Sie auf meine Frau schießen, sind Sie tot«, sagte Müller.
»Sie sind gefährlich, weil Sie dumm sind«, sagte Svenja tadelnd. »Das ist keine Empfehlung für Ihr Institut.« Sie vergrößerte den Winkel für Livio immer mehr und bewegte sich auf die rechte Glaswand zu. Er verlor die Kontrolle.
»Sehen Sie«, sagte Müller, »wir wollen uns doch keine Schießerei mit Ihnen liefern. Wir wollen nur in Ihren Computer schauen, und schon sind wir wieder weg.«
Einer der Gangster machte unkontrollierte Bewegungen und richtete sich halb auf. Müller schoss sofort wenige Zentimeter von ihm entfernt in den Teppichboden.
Livio folgte der schnellen Bewegung Müllers mit seiner Waffe, und Svenja warnte ihn: »Nicht doch! So geht das nicht. Wenn wir mal Zeit haben, können wir das zusammen üben.«
»Stehen Sie auf und setzen Sie sich da an den Heizkörper auf den Boden!«, befahl Müller. »Und lassen Sie endlich die Waffe fallen, Mann. Wir spielen hier doch nicht Wildwest.«
Livio ließ die Waffe auf den Boden fallen, stand auf und bewegte sich langsam auf den Heizkörper zu.
Svenja ging sehr schnell an ihm vorbei und setzte sich auf seinen Stuhl. Sie fuhr den Rechner hoch und schrieb an Goldhändchen: »Du kannst jetzt rein und ihn aussaugen, wenn du willst. Herzliche Grüße! S.«
»Wir gehen jetzt«, sagte Müller.
Sie betraten den Flur und zogen die Tür hinter sich zu.
»Scheiße!«, sagte Müller heftig.
»Was ist denn?«
»Die Wunde ist wieder aufgerissen.«
»Du darfst solche Gymnastikübungen einfach nicht machen«, erklärte Svenja. »Komm, wir fahren beim Doc vorbei.« Sie grüßte die junge Dame am Empfang und sagte: »Nichts für ungut, meine Liebe. Die drei da drinnen sollten vielleicht ein Valium bekommen oder einen Beruhigungstee.«
Die Frau starrte sie verwirrt an.
Dehner wusste, dass seine Unterhaltung mit Arthur Schlauf schwierig werden würde, weil Atze Madeleine Wagner mochte und weil er niemals auf die Idee kommen würde, dass sie eine Mörderin sein könnte. Das entsprach einfach nicht seiner Vorstellung von Frauen. Also musste Dehner ein paar farbige Lügen kreieren, um den Kaufmann einzuwickeln und zu Äußerungen zu bewegen, die ihm vielleicht ein paar Informationen über Madeleine Wagner brachten.
Aber zunächst war Atze noch wütend und sehr aufgeregt. Er lag in einem leichten Morgenrock in den Kissen einer luxuriösen Wohnzimmerlandschaft und jammerte: »Eine Million! Man stelle sich das vor! Das gibt es doch gar nicht! Und der Doktor Dieckmann hat gesagt, das wäre noch billig und ich soll froh sein, dass ich überhaupt aus der Zelle rausgekommen bin. Für eine Million, ist das etwa ein Trinkgeld? Da habe ich lange für gearbeitet, da hetzt man sich ab …«
»Jetzt ist es aber gut!«, unterbrach ihn Dehner. »Sie wissen doch ganz genau, dass wir Sie in letzter Sekunde gerettet haben. Sie wären doch im Leben nicht mehr rausgekommen aus der gesiebten Luft. Nun geben Sie mal Ruhe, guter Mann. Eine Million war verdammt billig, und das wissen Sie ganz genau! Unser Doktor Dieckmann hat Sie da fantastisch rausgetrickst. Wir hätten übrigens gern den Scheck zurück, und zwar jetzt gleich.«
»Jeder gute Steueranwalt hätte mich da in zehn Minuten rausgeholt – ohne solch eine gigantische Gegenleistung!«, sagte Atze muffig.
»Jetzt reden Sie Unsinn!«, erklärte Dehner. »Warum haben Sie denn keinen gerufen?«
»In Deutschland gibt es keine guten«, sagte Atze. Doch dann musste er grinsen.
»Erst mal der Scheck«, sagte Dehner.
»Traut ihr mir etwa nicht?« Das klang empört.
»Doch, doch«, sagte Dehner. »Aber wir sind mit Steuergeldern in Vorlage gegangen, und einen Beschiss können wir uns nicht erlauben.«
»Dann gebt mir die
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