Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
können, die der Täter oder die Täterin entwickelt hat. Und ich will betonen, dass nur einer der vier Fälle wirklich in die Hände einer funktionierenden Mordkommission gelangte. Das war der Tod des Li Nam in Seoul.«
Goldhändchen starrte das Porträt eines der Toten an. »Wie ich sehe, hat der Täter die Gitarrensaite von hinten um den Hals gelegt, befand sich also im Rücken des Opfers. Kann man also davon ausgehen, dass das Opfer gar nichts ahnte?«
»Die Opfer haben in keinem der Fälle etwas geahnt«, sagte Dehner und schüttelte den Kopf. »Ole Bauer in Mogadischu, die zwei DEA -Agenten in Afghanistan und der Südkoreaner Li Nam sind jeweils in speziellen sexuellen Situationen ermordet worden. Bei den beiden Rauschgiftagenten südlich von Kabul hat eine Untersuchung gar nicht erst stattgefunden. Man hat beide Amerikaner am Morgen des folgenden Tages zwischen neun und zwölf Uhr aufgefunden. Es gab nur wenige Zeugen.«
»Wer hat denn die beiden Toten gefunden?«, fragte Sowinski.
»Einheimische, die mehr oder weniger zufällig bei ihnen vorbeigeschaut haben«, antwortete Dehner.
»Wie sehen die Daten der Morde aus?«, fragte Esser.
»Sie sind alle vier im September 2010 ermordet worden. Es begann mit Ole Bauer, setzte sich mit dem Südkoreaner Li Nam fort und endete bei den beiden DEA -Agenten.«
»Und es war immer eine Gitarrensaite?«, fragte Goldhändchen.
»Sollte uns das etwas sagen?«, fragte Esser.
Niemand antwortete.
»Erkläre mir ein mögliches sexuelles Motiv«, bat Goldhändchen.
»Das war von Anfang an unklar, da habe ich bei dem zuständigen CIA -Beamten angerufen. Er sagt, dass sie sich vorstellen können, dass der Täter oder die Täterin sich während des sexuellen Spiels hinter dem Rücken des Mannes befand. Dann spielt natürlich die Frage eine Rolle, ob eines der Opfer homosexuell war. Das ist jeweils vor Ort nicht untersucht worden, wurde aber bei der CIA erörtert. Bei Li Nam in Seoul ist das schlichtweg verneint worden. Bei den beiden amerikanischen Brüdern waren ebenfalls keine homosexuellen Neigungen bekannt. Auch bei Ole Bauer nicht.«
»Wie brauchen also deutliche Hinweise auf eine Frau«, sagte Sowinski. »Sowohl Afghanistan wie Seoul werden zur Zeit daraufhin untersucht.«
»Und wie kommt Jongen Truud im September 2010 nach Afghanistan, wenn er doch in Tirana in Albanien eine Fabrik für C4 hat und einen Autoverleih betreibt?«, fragte Esser.
»Kein Problem«, sagte Dehner. »Ich habe in meinem Memo geschrieben, dass Truud in Tirana den Eindruck erweckt, als sei er im Urlaub. Wenn er plötzlich in Afghanistan ist und es da um die nächste Mohnernte geht, dann passt das in mein Bild. Wahrscheinlich kümmert er sich von Tirana aus um gravierende Logistikdetails im internationalen Rauschgifthandel, und manchmal fliegt er in wichtigen Missionen eben auch in andere Länder.«
»Nehmen wir an, Krause hat recht und Truud und Madeleine Wagner kennen sich – und zwar schon aus Afghanistan –, dann kann es also sein, dass Truud die Morde bei ihr bestellte. Oder liege ich da falsch?«, fragte Esser.
»Absolut nicht«, sagte Sowinski. »Daran dachte ich eben auch. Was ist, wenn Truud alle vier Morde bei ihr bestellt hat?«
»Wir müssen Atze fragen«, sagte Esser. »Wir haben ihn im Gästehaus untergebracht. Wer macht das?«
»Ich würde das gern machen«, meldete sich Dehner.
Sie ließen sich von einem Taxi zum Potsdamer Platz fahren.
Svenja hatte Müller erzählt, wie sie Dora Fuß ausfindig gemacht hatte und wie die Unterhaltung mit ihr gelaufen war. Sie hatte Müller auch gesagt, Dora Fuß habe ihren Auftraggeber als Gangster bezeichnet. Daraufhin hatte Müller entschieden, sie zu begleiten. Erstens, weil es so schneller gehen würde, und zweitens, weil sich das Risiko so ein wenig verringern ließe.
Auf dem Metallschild stand » SURE Sicherheit«.
Sie klingelten, eine Frauenstimme sagte: »Ja, bitte?« Sie fragten nach Herrn Livio.
»Haben Sie einen Termin?«, fragte die Frau.
»Nein, haben wir nicht«, sagte Müller. »Es ist aber sehr wichtig.«
»Können Sie mir sagen, worum es geht?«, fragte die Frau.
»Ja, sicher«, antwortete Müller, »um einen möglichen großen Auftrag.«
Der Summer ertönte, und sie betraten einen engen Gang, an dessen Ende ein Lift wartete. Sechster Stock.
An einem Schreibtisch saß eine junge, hübsche Frau und tippte etwas in ihren Computer. Sie lächelte und sagte: »Nehmen Sie doch bitte einen Augenblick Platz, Herr Livio
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