Die grosse Fahrt der Sable Keech
Bloc seine Macht womöglich langsam zur Geltung brachte. Fühlte sich Erlin angesichts möglicher Gefahren gut? Sie war nicht sicher. Allerdings negierte das, was immer Bloc tat, nicht das, was sie für ihre Verantwortung an Bord hielt. Sie blickte durch den unteren Tankraum zu Janers Arbeitsplatz hinüber. Erlin selbst hatte den größten Teil des Tages Diagnosechecks der Steuerungsanlagen durchgeführt, während Janer in ihrem Auftrag visuell die Filter überprüfte und nach möglicher Kontaminierung in den kleinen Autodoks suchte, von denen jeder Tank einen hatte. Sie würde ihn gehen lassen, sobald er im Begriff zu stehen schien, sie anzuschreien, was die Kreisbewegung zurück zu ihrer vorangegangenen Beziehung vollenden würde. Aber die Technik musste bereitgemacht werden. Und hier, dachte sie und drehte sich zu dem Reifi um, der gerade aus dem Treppenhaus kam, haben wir den Grund dafür.
»Leg dich einfach auf den Tisch«, sagte sie, als er sich ihr schließlich näherte.
Der Reifi, ein Mann ohne erkennbare Todeswunde, verzog das Gesicht zu einer Miene, die sehr an ein Grinsen erinnerte. »Ich bin nicht zur Behandlung hier.«
Erlin fand, dass irgendetwas an ihm nicht ganz stimmte – aber das konnte wiederum auch an ihr liegen. Sie war erst seit kurzem wieder bei Sinnen und wusste dabei doch, dass das Virus etwas an ihrem Denken verändert hatte. Irgendwann einmal musste sie eine Studie der psychischen Schäden durchführen, die diese Veränderung bewirkte.
»Warum bis du dann hier, John Styx?«, fragte Janer, der rasch die Chance auf eine Ausrede erblickt hatte, seine geisttötende Arbeit zu unterbrechen.
»Janer«, sagte der Reifi und blickte dann nacheinander erst ihn und dann Erlin an, ehe er den Kopf schief legte und zur Decke hinaufblickte, wo er eines der dort montierten Kamfone ins Auge fasste. Erlin brauchte keinen weiteren Tipp. Sie gab ihm mit einem Wink zu verstehen, er möge ihr in eine Sektion folgen, abgeteilt von Trennwänden, die einer der Hooper aufgestellt hatte. Hier lagen auf breiten Werkbänken modernste Gerätschaften für sie bereit. Das hier war auch ihre Basis und ihre Zuflucht.
»Leider hat Matrose Lumor beim Aufstellen der Trennwände versehentlich die Kamfone zertrümmert. Sehr ungeschickt!
Beklagenswerterweise zeigte er sich auch unfähig, Ersatzteile für sie aufzutreiben.«
Der Reifi grinste. Es war diesmal eindeutig ein Grinsen. Erlin warf einen Blick auf Janer, erkannte seine leicht verwirrte Miene und wandte sich wieder dem Reifi zu. Er griff in die Tasche und holte eine eingebeulte Sprühdose hervor. Sie nahm sie entgegen und hielt sie hoch.
»Und was soll ich damit machen?«
»Ich würde mich freuen, falls du den Inhalt analysiertest.«
»Vielleicht ist es dir nicht aufgefallen, aber ich bin sehr beschäftigt.«
»Es wird nur einen Augenblick dauern, Erlin.«
Etwas Vertrautes …
Erlin schüttelte die Dose und wandte sich mit ihr in der Hand ihrem Nanoskop zu, zu dem ein Bildschirm gehörte, über dem glitzernden Mechanismus des eigentlichen Mikroskops montiert. Mit Hilfe der Seitenkonsole wählte sie einen leeren Probenzylinder aus dem Sechserkarussel an. Das Karussel drehte sich, und einen Augenblick später klappte der kleine Kettenglaszylinder aus der Mündung des Geräts hervor.
»Könnte das gefährlich sein?«, fragte sie.
»Jetzt nicht mehr«, antwortete Styx.
Sie brummte, hielt die Sprühdose über das offene Ende des Probenzylinders und sprühte hinein. »Also«, sagte sie und bediente dabei die Konsole, »könnte das Nanotech sein?«
»Ich denke nicht«, sagte Styx. »Ich vermute eher ein tierisches Produkt.«
Der Zylinder faltete sich ins Nanoskop zurück. »In diesem Fall führe ich einfach eine simple Molekularanalyse durch.« Der Bildschirm ging an und zeigte ein sich bewegendes Kladogramm. Chemische Formeln tauchten auf und liefen über die Unterseite des Displays. »Du hast Recht; sieht nach einer Art Hormon aus.«
»Könntest du es genauer bestimmen?«
Erlin startete ein Programm, das die Substanz im Probenzylinder mit den Milliarden Substanzen in der Datenbank des Geräts verglich; dann drehte sie sich um und starrte Styx an. »Wer bist du, und was möchtest du?«
»Ich möchte ein paar Antworten«, sagte der Reifi.
»Du hast nicht beide Fragen Erlins beantwortet«, wandte Janer ein.
»Für alle aktuellen Zwecke bin ich die Reifikation John Styx. Allerdings …«
Styx wickelte den Ärmel hoch und legte damit eine antike Uhr frei.
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