Die grosse Fahrt der Sable Keech

plötzlich hochgestiegen war.
    Verständnislos verfolgte die Riesenschnecke, wie ein Glasberg aus Wasser direkt auf sie zuwalzte; auf die Regung eines tiefsitzenden Instinkts hin saugte sie die Augen ein und bündelte die Tentakel. Die Welle, deren Wucht jetzt geringer war als zum Zeitpunkt, da sie die Sable Keech erwischt hatte, hob sie wie Treibgut auf und schleuderte sie von der Insel. Ein kurzes Durcheinander stellte sich ein, dann trieb die Wellhornschnecke unter Wasser dahin, löste die Tentakel voneinander, streckte die Augen aus und saugte einen Teil des anstößigen Wassers ein. Seltsame Aromen quälten ihre Geschmacksknospen, und sie entschied sofort, diesem Phänomen auf den Grund zu gehen. Alles, nur keine Rückkehr in ihr früheres mühsames und gedankenloses Dasein.

 
Kapitel 15
     
    Rhinowurm:
    Da Symbiose, Parasitismus und Mutualismus Merkmale der gesamten Fauna Spatterjays sind, kann nicht überraschen, dass auch der Lebenszyklus des Rhinowurms auf diese Weise beginnt. Das Tier legt seine Eier am Stängel der Seelilie ab, wo die Eier Röhrchen einführen, sich vom Liliensaft ernähren und auf diese Weise wachsen. Das wiederum stimuliert das Wachstum der Lilie und lockt die Lungenvögel an, die sie befruchten. Mit Hilfe von Liliensaft wächst das Rhinowurmei auf Fußballgröße heran, und aus ihm schlüpft die viergliedrige Jungform dieses Tieres. Die Jungtiere schlüpfen zum gleichen Zeitpunkt, an dem die Lilie ihre Samenschoten erzeugt, die mit ihrem hohen Proteingehalt eine bevorzugte Nahrungsquelle vieler Varietäten pflanzenfressender Heirodonten darstellen. Jetzt profitiert die Seelilie davon, dass Zehntausende heißhungriger Rhinowürmer über alle übrigen Kreaturen in den Ufergewässern herfallen, in denen diese Pflanze gedeiht. Die Würmer fressen die Umgebung völlig kahl, und während sie ihre Gliedmaßen verlieren und sich in die erwachsene Form verwandeln, wenden sie sich dem Kannibalismus zu. Nur zehn Prozent der ursprünglichen Population verlässt die Gegend als ausgewachsene Tiere. Rhinowürmer haben vier Geschlechter – drei verschiedene Formen »Männchen«, die drei Viertel zum Genom beitragen, ergänzt um den Beitrag des weiblichen Eis. Nur eine weitere Lebensform des Planeten greift auf die gleiche Fortpflanzungsweise zurück, aber das führt nicht zu einer verwandten Haltung, denn Rhinowürmer sind die Hauptnahrung dieser anderen Lebensform: der berühmten Segel von Spatterjay …
     
    Erlin zog sich wieder auf die Beine und blickte sich erleichtert um. Die Tanks waren solide verankert, und obwohl viel ihres flüssigen Inhalts auf den Boden geschwappt war, waren nur zwei von Erlins Reifis herausgeschleudert worden. Das Fruchtwasser vermischte sich mit allem, was vom durch die Seitentüren hereinbrechenden Meer angeschwemmt wurde. Sie watete durch knöcheltiefes Wasser, das rasch durch die Speigatten entlang der Seitenwände ablief, näherte sich dem ersten herausgeschleuderten Reifi und befreite ihn, ohne dafür den Deckenlift heranzuholen, von den diversen Schläuchen am Leib, ehe sie ihn aufhob und wieder in seinen Tank senkte, der noch zu einem Drittel mit Fruchtwasser gefüllt war. Das Gleiche tat sie mit dem zweiten Reifi, bei dem ihr auffiel, dass echtes Blut aus den Verletzungen sickerte, die beim heftigen Auswurf aus dem Tank entstanden waren. Als sie dann sah, dass der Fruchtwasserstand in den Tanks automatisch wieder aufgefüllt wurde, machte sie sich daran, Messergebnisse zu sichten.
    Zu sagen, dass die Reifis überleben würden, wäre nicht ganz präzise gewesen, da sie ja tot waren. Das Trauma hatte jedoch die Arbeit ihrer Nanofabriken in keiner Weise unterbrochen oder auch nur verlangsamt. Allerdings stellte Erlin etwas anderes fest: Sie hatte ein kribbelndes Wundsein gespürt, als das Meerwasser von draußen sie durchnässte. Das lag an dem bösartigen Plankton von Spatterjay, und jeder Tank, der etwas von dem Meerwasser abbekommen hatte, war jetzt mit dem Plankton kontaminiert. Sie musste entschieden etwas dagegen unternehmen, oder die Tätigkeit der Nanofabriken wurde zunichte gemacht, während die Reifis selbst als Nahrungsquelle für das Plankton dienten. Schnell kehrte Erlin zu den Trümmern ihres Arbeitsplatzes zurück, suchte eine Packung mit löslichen Tabletten aus einem sterilisierenden Enzym und warf eine in jeden der zweiundzwanzig Tanks, die derzeit in Gebrauch waren. Das Zeug schädigte die Reifis vielleicht, aber dieser Schaden würde begrenzt