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Die grosse Fahrt der Sable Keech

Die grosse Fahrt der Sable Keech

Titel: Die grosse Fahrt der Sable Keech Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Asher
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zweifelnd drein und hielten sich an den jeweils nächsten Griffen fest. Ron streckte die Hand aus und umfasste eine nahe Stütze. Etwas Großes war eingeschlagen: Das hier sah ganz nach der Woge aus, wie sie von einer Atomexplosion im Meer erzeugt wurde – einem Ereignis, das Ron im Pradorkrieg reichlich erlebt hatte. Das lag vielleicht sieben oder noch mehr Jahrhunderte zurück, aber Sachen dieser Art vergaß man nicht so leicht.
    »Was denkt ihr, hat das verursacht?«, fragte er ganz allgemein.
    »Keine Ahnung, Käpten«, lautete die allgemeine Antwort der Hooper.
    Dem Alten Kapitän kam der Gedanke, dass seine Brückencrew nicht übermäßig mit Vorstellungskraft begabt war, und wandte sich also an Styx. »Irgendeine Idee?«
    Styx betrachtete die Displays. »Es war ein kinetischer Angriff aus dem Orbit auf den Lamarckgraben im Nortmeer.«
    »Richtig. Und der Ursprung?«
    »Ein Pradorschlachtschiff. Ein großes.«
    »Nun, das ist Scheiße«, meinte Ron in genau dem Augenblick, als die enorme Welle zuschlug.
    Die Sable Keech lag nicht ganz bugwärts zur Woge. Trotzdem stieg sie auf einem plötzlich entstehenden Berg aus Wasser, durch horizontal dahinpeitschenden Regen kaum zu erkennen, immer höher. Ron blickte zu der brodelnden Wasserklippe hinauf, die sich am Schiffsbug brach, und klammerte sich fest, als der Decksboden auf fünfundvierzig Grad kippte und dann noch darüber hinaus. Er blickte nach hinten und wünschte sich, er hätte es nicht getan, als er den siebenhundert Meter tiefen Absturz am Schiff entlang ins Wellental sah. Das Heck war jetzt unter Wasser, pflügte durch die See und schleuderte eine gewaltige Wasserkappe hoch, die sich immer wieder an Deck brach. Ron bemühte sich, nicht auf all das Ächzen und Knacken zu achten; dann war der Bug auf einmal in der Luft, und das Schiff richtete sich wieder auf. Jetzt drehte es sich jedoch auf dem Wellenkamm … Dann war es vorbei, und die Sable Keech glitt seitlich an der Leeseite der Woge herab. Ron ertappte sich dabei, dass er sich mit beiden Händen an die Stütze klammerte und einen Fuß an einer Konsole abstützte. Forlam hielt das Steuerrad fest gepackt und stand breitbeinig davor. Ein Bildschirm platzte, und ein Wasserfall donnerte ins Brückenhaus, als das Schiff den Grund eines Wellentals erreichte.
    »Ruderin Gegenrichtung!«, brüllte Ron.
    Forlam drehte heftig am Rad – wozu er keine Kraft benötigte, da das Ruder hydraulisch betätigt wurde. Das Schiff wandte der nächsten, kleineren Welle das Heck zu und stieg schräg an ihr empor. Dann wieder eine Welle und noch eine. Ein bebendes Krachen ertönte, als die Sable Keech ins nächste Wellental stürzte. Erneut stieg sie auf einer breiten Dünung an und schlug wieder krachend auf. Ein Blick direkt nach vorn zeigte Ron, wie viel näher die Inseljetzt lag. Dampf quoll aus dem Vulkankegel, und wo einst Bäume gestanden hatten, breitete sich jetzt eine Trümmerlandschaft aus umgerissenen Bäumen und Schlamm aus. Er betrachtete das Meer und verfolgte, wie Seerosenblätter wieder an die Oberfläche gehüpft kamen und erneut die bauschigen Blüten öffneten.
    »Wir sind auf Grund gelaufen«, verkündete jemand.
    »Jep, hatte ich mir schon gedacht«, sagte Ron.
    »Wie sollen wir dieses Schiff wieder flott kriegen?«, fragte derselbe Mann.
    »Habe noch keine Idee«, räumte der Alte Kapitän ein.
     
    Die Riesenschnecke tauchte wieder ins Meer, entdeckte aber nicht mehr die Geruchsspur des Schiffs, das sie verfolgt hatte. Sie stemmte sich auf den Strand zurück, blickte mit ihren riesigen Augen zum Horizont und spürte so etwas wie panische Verwirrung. Der unvermittelte Verlust ihrer Aufgabe erzeugte fast so etwas wie ein Gefühl, als schrumpften die wachsenden Gehirnlappen wieder, und sie fand diesen Verlust viel wichtiger als den der Geruchsfährte. Aber das Schiff war ja nicht verschwunden – dieses Fahrzeug oder zumindest ein sehr ähnliches war nach wie vor da draußen unterwegs. Sie brauchte nur danach zu suchen und immer weiter zu suchen und niemals damit aufzuhören. Jetzt kam ihr der Gedanke: Falls sie dasselbe Schiff fand, es in die Tiefe zerrte und zermalmte und die Besatzung fraß – falls sie schließlich ihr Ziel erreichte, hieß das, dass sich ihr kein Ziel mehr bot. Sie blinzelte, war am rostigen Nagel eines Paradoxons hängen geblieben, ohne zu ahnen, dass es allen denkenden Lebewesen so ging. Dann drehte sie die Augenstängel zur Seite und fragte sich, warum der Horizont dort

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