Die grosse Fahrt der Sable Keech
Erlin wollte sich nicht mit ihren aktuellen Gefühlen beschäftigen und somit auch nicht, dass er ihr Fragen stellte. Stattdessen betrachtete sie die neuen Patienten auf den Haltetischen: sechs Hooper bis unter die Schädeldecke mit Intertox abgefüllt, was sie aber nicht hinderte, gegen die Riemen anzukämpfen – und drei andere.
»Vielleicht sollten wir ihn einfach über Bord werfen«, schlug sie vor und betrachtete den ihr nächstgelegenen jener drei Patienten. Das war zwar kein akzeptabler Ansatz, nach Maßstäben der Polis betrachtet, aber sicherlich hätte Kapitän Ron sich des Problems gern auf diese Weise entledigt.
Der nackt auf seinen Tisch gebundene Bloc rührte sich nich t. Erlin nahm seine freiliegenden Verletzungen mit verspätetem Interesse zur Kenntnis und fragte sich, was zum Teufel ihn ursprünglich umgebracht hatte. Auch Aesop und Bones lagen reglos auf Tischen in der Nähe.
»Wäre ich kein Erdmonitor, dann stimmte ich dem zu«, sagte Keech. »Aber ich möchte ihn mit zurücknehmen. Wäre das möglich?«
»Auch Aesop und Bones?«, fragte sie.
»Gewiss«, antwortete er. »Erkläre mir: Warum ist Bloc einfach so zusammengebrochen?«
Erlin warf einen Blick auf die Statuslampen an Blocs Reiniger, der auf einem unter dem Tisch herausgeklappten Tablett ruhte. Alle Lampen leuchteten rot, und einer der Schläuche, die im Körper des Reifis steckten, war schwarz von verdorbenem Balsam. Jetzt packte Erlin eine Handflächenkonsole, verband sie durch ein optisches Kabel mit dem Reiniger und betrachtete die angezeigten Werte.
»Er ist einfach stehen geblieben – nicht genug Speicherplatz für die ganzen Informationen, die er verarbeiten wollte.« Sie deutete auf Aesop und Bones. »Statt einen Regler pro Sklaven zu benutzen, wie es die Prador tun, war sein Regler partitioniert. Meine Werte zeigten drei Hauptpartitionen, und ich konnte zwei davon Aesop und Bones zuweisen. Die dritte ist eine Breitbandpartition, auf deren Kanal siebenundzwanzig Sklaven parallel laufen. Ich dachte zuerst, auf diesem Wege würden siebenundzwanzig Reifis gesteuert, aber das könnte nie funktionieren. Als ich dann weiter Daten prüfte, stellte ich fest, dass elf der Sklaven offline gingen, während sich Bloc auf der Insel der Toten aufhielt und bevor ich eintraf. Dann gingen sieben weitere just zu der Zeit offline, als der Kapuzler seinen Kopf verlor.«
Keech verzog das Gesicht. »Die Zahl siebenundzwanzig verrät mir alles, was ich wissen muss. Die Zahl des Tiers, könnte man sagen – so viele Körpersegmente besitzt ein Kapuzler.«
»Offenkundig hat Bloc das Tier gesteuert, obwohl ich am Ausmaß dieser Lenkungsgewalt zweifle, wenn ich sehe, dass er Äserpheromone einsetzen musste, um die Opfer für den Kapuzler zu markieren. Jedenfalls haben diese achtzehn Sklaveneinheiten, als sie zerstört wurden, die Formatierung in seinem Speicherplatz beschädigt. Dann gelang es irgendwie dem Prador, eine Verbindung zu den verbliebenen Kapuzlerreglern herzustellen und Bloc auf diesem Wege zu steuern. Er benutzte ihn eine Zeit lang auch als Kanal, um eine Art Rechenprogramm in den Gehirnen von Aesop und Bones zu fahren. Das allein hat Bloc aber noch nicht an den Rand des Zusammenbruchs getrieben. Die Virusinfektion war es, die immer mehr Diagnoseprogramme in seiner Reifikations-Hardware anfuhr, und deshalb tauchten immer mehr Fehlermeldungen auf und belegten weiteren Speicherplatz. Dann war es, denke ich, dein Anblick, der ihm den Rest gab.«
»Lauft dieses Rechenprogramm jetzt noch?«
»Es hat sich abgeschaltet, aber aus Interesse habe ich einen Teil davon aufgezeichnet. Ich halte es derzeit zyklisch in Betrieb, zusammen mit einer starken Erinnerung, die ihm geblieben ist, und halte ihn so in einer virtuellen Schleife gefangen.«
»Wie steht es um seine Virusinfektion?«
»Ganz schön weit fortgeschritten – etwa in dem Stadium, das dich damals veranlasste, den Nanowandler einzusetzen.« Sie deutete auf die anderen. »Bei Aesop da drüben sieht es nicht annähernd so schlimm aus. Tatsächlich sind viele an Bord in schlechterer Verfassung, und …« Sie deutete hinüber. »… stecken schon in diesen Tanks.«
»Und Bones?«, erkundigte sich Keech.
»Infektionen hat er hinter sich. Sieh nur.«
Keech trat an Bones heran und zog dem Reifi die Kapuze herunter. Ein kahler Schädel grinste ihn an; die Augenlinsen waren geschlossen, und die Spitze einer Metallzunge ragte zwischen den Zähnen hervor. Keech öffnete die Jacke des
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