Die grosse Fahrt der Sable Keech
ihnen übertragenen Arbeiten. Alle ignorierten den größten Teil des Tages lang das Gebrüll des Kapitäns. Als sie endlich beschlossen, ihn abzuschneiden, durchtrennten sie gleich die Spiere – das war die einzige Möglichkeit –, und Orbus stürzte kopfüber aufs Deck. Er war sehr wütend, als es ihm endlich gelungen war, seine Füße zu befreien. Den meisten an Bord gefiel es so. Andere hatten richtig Angst.
Fallen über Fallen, angeordnet in Schichten, waren in die Programmierung eingebaut, und ihre Parameter wechselten in scheinbar zufälligen Zeitspannen. Vrell fand so viele davon, dass er sich fragte, wie sein Vater darüber auf dem Laufenden geblieben war, ohne selbst einer Falle zum Opfer zu fallen – zum Beispiel den Sprengschutztüren, die Vrell zuvor geöffnet und blockiert hatte, indem er die Sicherungen ihrer Motoren durchbrennen ließ. Ihre Schlüsselcodes wechselten in Abständen, die von wenigen Minuten bis zu ganzen Tagen reichten. Zumindest funktionierten diese Steuergrube und ihre Monitorbank in Vaters Sanktum wieder, sobald Vrell erst mal das Genlesegerät mit einem Knorpelstück überbrückt hatte, das er an einem Panzersplitter seines Vaters fand.
Mit zunehmender Verwirrung arbeitete sich Vrell durch die Schiffsprogramme. Er fand ständig Fallen und schaltete sie aus, wusste dabei jedoch auch, dass er mit dieser Geschwindigkeit erst in Jahren das ganze System gesäubert hätte. Sein zentraler Nervenknoten schmerzte bei diesem Gedanken, und während er arbeitete, stieg auch wieder der Druck im Körper an. Zwangsläufig trat irgendwann ein dumpfes Knirschen auf, und er drehte die Augenpalpen sowie das, was inzwischen sein Kopf war, und fand einen neuen Riss in der Panzerschale. Sofort legte sich der Druck, und ein unvermittelter Geistesblitz stellte sich ein. Natürlich: Es musste ein gesondertes Such- und Neuformatierungsprogramm geben! Das fand er eindeutig nicht im eigentlichen System, also musste Vater über eines seiner Steuergeräte darauf Zugriff genommen haben – eines, das immer noch aktiv war. Und noch leichter erkennbar war, dass sein Vater dasselbe Gerät für den Zugriff auf das gesamte System benutzt hatte. Wie hätte Ebulan auch anders vorgehen können – er, der keine Hände mehr hatte? Das war sonnenklar, also warum hatte Vrell es nicht schon früher erkannt?
Vrell warf sich herum, klapperte durch die Kabine und hob die sechseckigen Steuergeräte auf, die früher angeschweißt am Körperpanzer seines Vaters gesteckt hatten. Mit Hilfe eines Fernlesegeräts, einer sekundären Apparatur, die in den Stecker eines Steuergeräts passte, kontrollierte er nacheinander jedes davon. Die ersten drei waren tot offenkundig mit Sklavenreglern zusammengeschaltet, die seit der Zerstörung der durch sie gesteuerten Leermenschen außer Funktion waren –, aber das vierte sendete nach wie vor. Der Prador nahm es mit in Ebulans private Speicherzone – die inzwischen offen stand –, betrat diese, stöpselte das Lesegerät aus und führte stattdessen das Kabel eines Prüfgeräts in denselben Stecker. Alles, was das Steuergerät anscheinend sonst noch brauchte, war ein zusätzliches Nanofaser-Rootingmodul. Vrell fand eines, entfernte das alte Modul aus der Rückwand des Steuergeräts und steckte das neue ein. Mit einer weiteren Hand packte er einen mehrköpfigen Panzerbohrer, drückte ihn an die eigene Körperunterseite und startete ihn. Ein schrilles Jaulen und eine Pulverwolke hinterließen einen sauberen Pfefferstreuer an Löchern in der unteren Panzerschale. Er wollte das Steuergerät dort einsetzen, zögerte dann jedoch.
Aus zwei Quellen drohte hier Gefahr: das Rootingmodul war im Hinblick auf Prador-Physiologie formatiert, und Vrell war, genau genommen, kein normaler Prador mehr; des Weiteren konnten weitere Fallen bestehen. Die zweite Gefahr stufte er als gering ein. Die Fallen waren alle außerhalb dieser Kabine gelegt, da Ebulan nie damit gerechnet hatte, dass ein Feind ihm so nahe kam, was letztlich auch der Grund dafür war, warum er jetzt stückweise am Boden lag. Vrell drückte das Steuergerät an Ort und Stelle, spürte die plötzliche Wärme, als es mit dem Panzer verschmolz, und nahm die Hand weg.
Einen Augenblick lang spürte er nichts; dann trat eine übelkeiterregende Empfindung ein, ganz ähnlich der, als sich die Blutegel unter die Panzerschale gefressen hatten. Langsam und unerbittlich öffnete er dann andere Augen und streckte unsichtbare Hände in den
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