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Die große Verschwendung

Die große Verschwendung

Titel: Die große Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schoemel
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schwarzblauen Abenddämmerungen, die einen einsam, aber nicht immer traurig zurückließen vor dem kommenden Winter?
    Am Ende der kurzen Bürobesprechung – es war die dritte am heutigen Tag, und es ging wieder um nichts anderes als um die Lage nach der »Pressekampagne« – fragte er zunächst R, dann Ö, wann denn der Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen sei.
    R blies die Backen auf, Ö hingegen konnte den zweifellos vorhandenen Gedanken »Hat der nichts Besseres zu tun im Moment?« fast vollkommen aus ihrer Mimik fernhalten.
    Auch Glabrecht kannte die Antwort nicht. Er erhob sich von seinem Stuhl am Besprechungstisch und begleitete R und Ö aus seinem Büro, schloss die Tür, setzte sich an seinen Schreibtisch, lockerte die Krawatte, öffnete die beiden obersten Knöpfe seines Hemdes, zog die Hosenbeine bis über die Knie, trank zwei Tassen des lauwarmen Grüntees aus der offen stehenden Thermoskanne und war derart erschöpft, dass er sogar kurz überlegte, ob dieser mühevolle Trinkvorgang unbedingt absolviert werden musste. Er kontrollierte sein privates E-Mail-Konto. Nichts von Adriana. Aber Madlé hatte ihm geschrieben.
    »Lieber Glabrecht, wir haben hier ideales Herbstsortiment in den Wäldern. Wäre ein guter Zeitpunkt, dein Versprechen einzulösen und deine Heimat zu besuchen. Folgende Klassifizierung der Blätterfarben, eine Auswahl:
    – die großblättrige amerikanische Roteiche, quercus rubra, zunächst teilweise grün, teilweise englisch rot – später englische gebrannte Siena, komplett und gleichmäßig eingefärbt.
    – die deutsche Eiche, quercus robur, auch im Endzustand noch fleckig grün und unterschiedlich ockerfarben, auch rötlich.
    – die gleichmäßig hellockergelb Durchscheinenden: Espen, Linden, besonders die großblättrige Sommerlinde, die Esche – fraxinus excelsior, die Lärche.
    – die Rotbuche, fagus sylvatica, – besonders die am Waldrand stehenden Exemplare zeigen oft sämtliche Herbstfarben in einem einzigen Baum, dunkelgrün, alle Ocker- und gebrannten Siena-Töne, bis hin zu tiefem Dunkelbraun.
    Komm runter, schau dir das an, das wird dir gut tun.«
    So weit Madlé. Ansonsten: Auch das erneute mehrfache Anklicken von »Senden / Empfangen« brachte nichts, sah man von einigen Mails aus dem Spam-Ordner ab, die mit Hilfe von Shakespeare-Zitaten und absichtlich falsch geschriebenen Produktnamen die Filter passiert hatten. Das Übliche, genauso, wie er es beschrieben hatte: Penisverlängerungen zur Züchtung eines brutalen Knüppels, mit dem man selbst Mariannes fickwütige Laura -Leserinnen befriedigend hätte pfählen können. Der Anbieter hieß zu Glabrechts müder Freude tatsächlich »Adorno«. Er bot »New Penis Enlargement Patches« an. Wenn der alte Adorno das gewusst hätte! Auch er war ja ein Mann gewesen, der gerne das »r« rollte! – Ein anderer Anbieter versprach »No more penis enlarge ripoffs!«. Weiter: Duftstoffe sollten die Frauen, wenn Bedarf bestand, sofort paarungsbereit machen. »Revolutionary pheromone, attract ANY woman now!« – Viagra ließ das Organ derart lange stehen, bis sämtliche Dutzend Fickfiguren der Hetäre Philaenis durchprobiert waren. – Schließlich dann Valium , um den ganzen Horror zu vergessen und zu schlafen, zu schlafen, zu schlafen. Glabrecht gab den Spam-Ordner zum endgültigen Löschen frei. Madlé antwortete er mit dem Versprechen, die Liste der Herbstfarben alsbald zu überprüfen.
    Das behördliche E-Mail-Eingangskonto enthielt fast ausschließlich dienstliche Mitteilungen, was daran lag, dass Frau Scholz ebenfalls Zugriff darauf hatte. Alles war abgearbeitet
    Es war sechzehn Uhr, die Sonne schien am milchig hellen Himmel auf ihrer bereits tiefen Bahn seit Stunden in Glabrechts Büro und heizte es auf. Auch die Lamellenvorhänge halfen da nur wenig. Glabrecht zog sie ein wenig zur Seite, damit er seine Füße auf den Heizkörper legen konnte. Eine übermächtige Helligkeit brach herein. Glabrecht drückte den roten Knopf am Telefon, der Frau Scholz signalisierte, dass ihr Chef sich in einer intensiven Arbeitsphase aufhielt und unter keinen Umständen gestört werden durfte.
    Die Kampagne gegen die dilettantische Senatspolitik mutierte zu einer Art Dröhnen in seinem Kopf, ehe es dort innerhalb von Sekunden dunkel wurde.
    Glabrecht erwachte in einer todesnahen Hoffnungslosigkeit, die in seinem Büro gelauert und gewartet hatte, bis er schlafend hilflos wurde. Dann war sie über ihn hergefallen. Trotz der Hitze

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