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Die große Volksverarsche

Die große Volksverarsche

Titel: Die große Volksverarsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Jaenicke
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Jahr für Jahr auch in unser Fernsehprogramm ein. Ein Extrembeispiel war die ARD-Soap »Marienhof«: Hier haben sich Firmen sogar jahrelang eingekauft und verkaufsstrategisch wirksam an den Drehbüchern herumgeschraubt.

    Und welche Dritten greifen sonst noch so ein und bestimmen, was gesendet wird und was nicht? Erst im Oktober 2012 kam ans
Licht, dass Politiker offenbar gerne hie und da ihren Einfluss geltend machen, wenn es darum geht, die Massenmedien in ihrem Sinne zu benutzen. In diesem Fall war es der Parteisprecher der CSU, der sich einbildete, mit einem Drohanruf bei der »heute«-Redaktion den Bericht über den bayerischen SPD-Parteitag stoppen zu können. Ein peinlicher Einzelfall? Schwer zu glauben – auch wenn das ZDF den CSU-Mann im genannten Fall abblitzen ließ. In Bayern wurde zum Beispiel Dieter Hildebrandts »Scheibenwischer« einst abgesetzt, weil der Landesregierung dessen politische Gesinnung nicht in den Kram passte. Und »Baal«, ein ARD-Film von Dominik Graf, wurde gar nicht erst ausgestrahlt mit der Begründung, er sei »zu hart«. Auch Christian Wulff hatte seine Macht als Bundespräsident eingesetzt, um eben diese zu sichern, indem er dem Springer-Chef mit »Krieg« drohte, sollte der Artikel über seinen Privatkredit in der BILD-Zeitung erscheinen. Nun ist die BILD bekanntlich selbst nicht zimperlich in Sachen Massenmanipulation und Machtgehabe. Doch dass Politiker so plump die Pressefreiheit mit Füßen treten, lässt erahnen, mit welchen – meist unauffälligen – Bandagen gekämpft wird, um die Medienmacht im eigenen Sinne zu beeinflussen. Man schaue sich beispielsweise einmal an, welche Politiker und Funktionäre im ZDF-Verwaltungsrat sitzen. 24 Oder welche Rolle das Parteibuch bei der Benennung der ARD-Intendanten spielt. Das sagt zwar nichts über die Qualifikation des jeweiligen Intendanten aus, aber doch etwas über die gesetzlich verankerte Unabhängigkeit der Medien ...
    Als würde nicht schon genug Geld in die Taschen und Kassen der Fernsehmacher fließen, wird nach wie vor mit gesetzwidriger Schleichwerbung hantiert. Dafür sind aufgrund ihrer Werbebeschränkungen leider auch die öffentlich-rechtlichen Sender anfällig. Bekannt gewordene Product-Placement-Skandale gab
es bei »Marienhof«, »Tatort« und Gottschalks »Wetten, dass ...«. Aber auch ohne das bessere zweite Auge entdeckt man allüberall Werbung, die sich klammheimlich eingeschlichen hat: Die Marke von Dieter Bohlens Klamotten wäre sogar vom Weltraum aus zu erkennen; die Markenkosmetik, die von der Hauptdarstellerin gut sichtbar in ihren Einkaufswagen drapiert wird etc. Laut den durchaus fairen EU-Bestimmungen müsste in solchen Fällen das Wort »Dauerwerbesendung« eingeblendet sein. Dazu aber konnte sich bislang nur TV-Total-Stefan bei seinem Promi-Turmspringen entschließen. Allerdings hätte ich auch wahrlich keine Lust auf eine »Dauerwerbesendung« statt Montagabendfilm im ZDF oder »Tatort« am Sonntag. Sie?

    Aus dem Nähkästchen: In einer von einem US-Autor hervorragend geschriebenen deutschen Komödie sollte ich einen eher schlicht gestrickten Bauarbeiter spielen, der sich, ohne es zu wissen, in dieselbe Frau verliebt hat wie sein intellektueller WG-Mitbewohner. Beide Jungs treffen sich abends zu Hause und schwärmen in den höchsten, aber komplett unterschiedlichen Tönen von ihrer neuen Flamme. Als ich am ersten Drehtag zum Set (Baustelle) komme, steht dort schon mein »Spielfahrzeug« für mich bereit: ein nagelneuer, aufgemotzter G-Klasse-Daimler im sechsstelligen Preissegment. Irritiert frage ich, wie sich ein Bauarbeiter mit 2.000 Euro Bruttomonatsgehalt den leisten könne. Antwort des Produktionsleiters: »Wir haben einen Deal mit Benz, der Wagen muss ins Bild.« Um meine Arbeit nicht von vornherein unglaubwürdig zu machen, weigerte ich mich, in den G einzusteigen. Dann komme ich doch besser per Straßenbahn oder Fahrrad zur Arbeit, schlug ich vor. Das schien mir für die Rolle weitaus authentischer. Nach stundenlangem Hin und Her und Dauertelefonaten wurde schließlich eine uralte, verbeulte
G-Klasse beschafft ... Ein pikantes Detail erfuhr ich später: Der Produzent des Films fuhr auch privat einen nagelneuen Daimler. Da würden mich die Konditionen interessieren. Durfte er womöglich gratis die neuesten Modelle fahren, solange er die Marke zuverlässig ins Bild rückte? Insofern ist es nicht verwunderlich, dass viele TV-Kommissare in Krimis mit auf Hochglanz polierten

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