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Die große Volksverarsche

Die große Volksverarsche

Titel: Die große Volksverarsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Jaenicke
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drei Jahren wieder »eingefahren«; denn ein geringerer Grenzwert bedeutet automatisch weniger Spritverbrauch. Auch direkt einspritzende Benzinmotoren verbrauchen weniger (20 g/km = rund 1 Liter Sprit), weshalb diese Technik auf jeden Fall ein echter Fortschritt ist. Problematisch ist jedoch, dass durch die Direkteinspritzung sehr viele, extrem kleine schädliche Partikel entstehen, die bislang ungefiltert in die Luft gepustet werden. Und da inzwischen immer mehr solcher sparsamen, aber gesundheitsschädlichen Motoren auf den Markt kommen, besteht dringender Handlungsbedarf. Technisch ließe sich das Problem recht unkompliziert lösen. Das Geheimnis heißt wie einst beim Dieselmotor: Partikelfilter. Aber wieder ertönt der »Zu teuer!«-Aufschrei seitens der Industrie. Zu teuer? Wirklich? Wir reden hier von etwa 100 Euro Mehrkosten. Und zwar für den Endkunden,
der nun statt 12.800 Euro 12. 9 00 Euro für einen neuen VW-Polo zahlen müsste. Warum aber sperrt sich die Industrie dann derart vehement gegen diesen Partikelfilter? Denn nicht nur, dass so ein Filter beim Benziner sogar preiswerter wäre als beim Diesel, zudem bestreitet die Industrie nicht einmal, dass das Partikelproblem existiert. Des Rätsels Lösung für ihre Blockade steckt in der traditionsreichen Ingenieurshierarchie der großen Autohersteller: Ungekrönte Könige sind hier die Motorenentwickler – und die verachten jede nicht motorimmanente Lösung. »Für viele dieser Motormänner ist ein Partikelfilter wie ein störendes Kondom am Direkteinspritzer«, so Gerd Lottsiepen vom VCD.

    »Der Deutsche fährt nicht wie andere Menschen.
Er fährt, um Recht zu haben.«
    Kurt Tucholsky

    Nun hat nicht jedes Auto einen direkt einspritzenden Benzinmotor, eine Klimaanlage aber haben sie fast alle. Diese Spritfresser par excellence gehören ja inzwischen zur Grundausstattung. Und 99 Prozent aller Auto-Klimaanlagen enthalten das Kältemittel Tetrafluorethan, kurz R134a. Das ist ein Treibhausgas mit einem Global-Warming-Potential-Wert (GWP) von 1430, das heißt, seine Treibhauswirkung ist sage und schreibe 1430-mal so stark wie bei CO 2 . Seit 2011 dürfen laut EU-Richtline allerdings nur Treibhausgase mit einem GWP-Wert von maximal 150 in Klimaanlagen verwendet werden. Auch R134a ist deshalb verboten worden. Doch dieses Verbot gilt erst ab 2017! Die sogar von Umweltverbänden empfohlene und technisch mögliche Alternative: CO 2 . Für diese sprach sich selbst VDA-Präsident Matthias Wissmann aus – bis Tetrafluorpropen, sprich R1234yf auf
den Markt kam: großartiger GWP-Wert von 4,4 und wunderbar unkompliziert zu handhaben ... Die beiden US-amerikanischen Unternehmen Honeywell und DuPont gründeten rasch ein Joint Venture und ließen sich ihre Entdeckung sofort patentieren, denn sie witterten ein Milliardengeschäft. Zu Recht. Die Automobilkonzerne waren sofort Feuer und Flamme. Ist doch die Umstellung auf R1234yf technisch ein Klacks und ein Wechsel zwischen dem neuen teuren und dem alten preiswerten Kältemittel prinzipiell möglich. Damit war die umweltfreundliche, technisch aber aufwendigere Umstellung auf CO 2 erst einmal k. o. ... Wäre da nicht diese eine besondere Eigenschaft von Tetrafluorpropen: R1234yf ist entzündlich – und wenn es brennt, entsteht stark ätzende Flusssäure. R1234yf als Kältemittel in Autoklimaanlagen zu verwenden stellt also eine zusätzliche Gefahr für Unfallopfer und Rettungskräfte dar, insbesondere bei Unfällen in Tunneln. Dreimal dürfen Sie raten, wie die Autokonzerne auf entsprechende Warnungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und des VCD reagierten ... Erst als Mercedes-Benz im Sommer 2012 interne Tests durchführte, die eigentlich die Ungefährlichkeit von R1234yf beweisen sollten, bekam man dort kalte Füße. Denn das Ergebnis lautete: Im heißen Motorraum kann sich das Kältemittel R1234yf nach Unfällen entzünden. Darum werden nun wieder sämtliche Mercedes-Klimaanlagen mit dem preiswerten Klimakiller R134a befüllt. Und jene Autohersteller, die an R1234yf festhalten? Die können nur hoffen, dass ihr Kältemittel nicht zu heiß wird – und dass Honeywell und DuPont lieferfähig bleiben; denn nachdem bereits ein japanisches DuPont-Werk durch das Erdbeben zerstört wurde, erhält ein neu gebautes Werk in China derzeit keine Betriebserlaubnis: Die Umweltauflagen seien nicht erfüllt. Wer hätte das von chinesischen Behörden gedacht ...

    Druck auf die Politik übt übrigens nicht nur die Automobillobby aus,

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