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Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Titel: Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Torday
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    Fünf Aufseher mit Taschenlampen kommen schlitternd herbeigerannt und umzingeln mich. Handschuhe packen mich am Handgelenk, und bei dem Versuch, mich aus dem Loch zu zerren, kommen die ächzenden Männer ganz schön ins Schwitzen. Ich strample ein letztes Mal, Erdklumpen fallen in die Tiefe und ich mit ihnen. Wie ein glitschiges Stück Seife entgleite ich dem Griff der Aufseher und rutsche hinunter in die Dunkelheit.

Kapitel 6
    Mit einem lauten Platsch lande ich in einer Pfütze.
    Über mir flimmern die Taschenlampen wie eine Disco-Beleuchtung, aber die Aufseher können mir nicht hinterherklettern.
    »Kommt mit!«, ruft einer von ihnen, und ich höre, wie sie wegrennen. Der Lichtschein über mir wird immer schwächer.
    Ich bin in völliger Dunkelheit, zusammen mit Hunderten von Kakerlaken, die scharren und Klick-Geräusche machen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als ihnen nachzukriechen. Ich wünschte, ich hätte den Mut eines Soldaten, der unerschrocken durch Minenfelder geht. Dann wäre das Durchqueren eines Tunnels voller Schlammwasser, Kakerlakenschleim und anderer übel riechender Dinge ein Kinderspiel für mich.
    Ich spreche von Kriechen, aber tatsächlich handelt es sich eher um Schwimmen, so tief ist das Wasser. Ich wusste nicht, dass Kakerlaken schwimmen können, aber sie paddeln alle munter an meiner Seite. Sie sprechen nicht, auch nicht untereinander, sie halten nicht inne, sie machen einfach weiter. Die schweren Schritte der Aufseher sind verklungen, ich höre nur noch meinen eigenen Atem, der von den feuchten Wänden zurückhallt, und gelegentlich das Krisch-Krasch eines Kakerlaks.
    Dieser Tunnel ist kein glattes Abflussrohr, er ist uneben und rissig, und ich schürfe mir andauernd die Hände auf. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber je weiter wir vorankommen, desto höher scheint das Wasser zu stehen.
    Das Wasser steigt immer weiter und irgendwann spüre ich keinen felsigen Boden mehr unter den Füßen. Ich stoße mir den Kopf an der Decke, denn der Tunnel wird immer niedriger, ich schaffe es kaum, mit dem Kopf über Wasser zu bleiben.
    Langsam und stetig kommt immer mehr Wasser, es schmeckt nach Erde und Abwasch, und es schwappt schon in meinen Mund, weil meine Arme immer schwerer werden.
    * Nicht so schnell! *, rufe ich in die Düsternis. * Ich komme nicht nach .*
    Keine Antwort – bis auf das leise Platschen ist alles still. Dann, ganz schwach nur, irgendwo weiter vorne, höre ich eine tiefe Stimme. Dumpf wie das Dröhnen von Trommeln.
    * Wir müssen weiter. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit .*
    Die Tunneldecke fällt nach unten hin ab. Ich ertaste das felsige Gestein über mir, suche nach der schmalen Schicht Luft zwischen der Decke und dem Wasser, durch das ich hindurchschwimmen soll. Aber da ist nichts mehr. Ab jetzt ist der Tunnel komplett unter Wasser.
    Ich hole noch einmal ganz tief Luft, halte mir die Nase zu und tauche unter. Es ist schwierig, sich voranzukämpfen, ich strample mit den Beinen, und ich merke, wie die glitschigen Tunnelwände immer enger werden.
    Wasser steigt mir in die Nase, es brennt ganz scheußlich, und das letzte bisschen Sauerstoff entweicht aus meiner Lunge. Meine Brust ist kurz vor dem Explodieren.
    Panik befällt mich, ich will umkehren, aber dazu ist es zu spät.
    Noch ein Mal stoße ich mich mit den Beinen ab.
    Das langsam fließende Wasser verwandelt sich plötzlich in einen reißenden Fluss, die Strömung schleudert mich hin und her wie in einer Waschmaschine, sie schrammt mich über die raue schmutzige Rohrwand und über rutschiges Gestein, ehe sie mich schließlich ausspuckt und ich auf nassem Gras lande.
    Ich kann die Sterne sehen.
    Und damit meine ich nicht Sternchen um den Kopf wie in einem Cartoon, sondern echte Sterne am Himmel. Ich hole tief Luft, drehe mich auf den Bauch und huste einen Schwall Wasser aus. Als ich mich auf die Ellbogen stütze, erfasst mich ein Lichtstrahl von oben, und ich sehe ein Paar Füße vor mir.
    Schmutzige Füße in Sandalen.
    Doktor Fredericks. Er steht in vorderster Reihe der Aufseher. Und dahinter sehe ich das von den Scheinwerfern in grelles Licht getauchte Glasgebäude von Mentorium. Wir sind außerhalb des Geländes, in der Quarantäne-Zone. Aber niemand trägt einen Schutzanzug oder eine Maske. Es gibt keine Luftfilterung, kein spezielles Glasdach, keine elektrischen Schleusentüren. Wir sind einfach im Freien, in der feuchten Wildnis, in der die Rote Pest regiert.
    Neugierig drehe ich den Kopf, um zu sehen,

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