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Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Titel: Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Torday
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kalter Windstoß auf.
    Außerdem gibt es so viel zu sehen, wenn ich nach unten schaue.
    Wir fliegen über freies Land, über Orte, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Orte, die niemand betreten darf. Die Quarantäne-Zone. Meilenweite menschenleere Landschaft, von Facto abgeriegelt, damit die Rote Pest eingedämmt werden kann und sich nicht bis in die Städte ausbreitet. Neun Jahre ist das nun her.
    In Mentorium kursieren Gerüchte von sogenannten Außenseitern . Leuten, die den Warnungen keinen Glauben schenken, Leuten, die sich von der Roten Pest nicht schrecken lassen wollen und die sich mit dem bisschen Nahrung begnügen, das noch vorhanden ist, seit alle Tiere verschwunden sind.
    Falls es solche Leute tatsächlich gibt, dann zeigen sie sich nicht.
    Alles ist so dunkel. In den Häusern, den Dörfern, den Städten, nirgendwo brennt Licht. Die undeutlichen Umrisse leer stehender Gebäude schimmern im Mondlicht und sehen aus wie verstreute Felsbrocken. Meilenweit nur steinige Küsten und zerklüftete Klippen, und auch die sind kaum zu erkennen. Das einzige Zeichen von Leben sind die Bojen direkt unter uns, die in den dunklen Wellen schaukeln und orangerot blinken.
    Einmal sehe ich in weiter Ferne die weißen Lichter einer Stadt. Dort regiert Facto, also ist sie frei von Tieren und Seuchen. Sie sendet ihre Scheinwerferstrahlen von ihren gläsernen Hochhäusern in die Nacht. Von hier sehen die Türme aus wie weiße Riesenkristalle, die sich bis zu den Sternen strecken.
    Man hat vier große Städte gebaut, um den Flüchtlingen aus aller Welt Unterschlupf zu bieten. Meine Heimatstadt, Premia, die Stadt des Südens und zugleich die größte von ihnen, in der Mitte geteilt durch den Fluss Ams. Dann die Küstenstadt im Westen, Portus, und die Industriestadt im Osten, Carbo. Und das hier ist wohl die Stadt im Norden, die sich zwischen frostige Gipfel und steile Täler schmiegt – Mons.
    Vier Städte, die wuchsen und sich immer weiter ausbreiteten, bis man auf der Thermo-Satellitenkarte nur noch einen langen grünen Streifen sah, der von großen, warm rot und gelb pulsierenden Flecken eingeschlossen wurde.
    Mit einem Beinschwung versuche ich, die Tauben zur Stadt hin zu steuern, aber das bewirkt nur, dass sie noch schneller und entschlossener in die entgegengesetzte Richtung fliegen. Ungerührt setzen sie ihren Weg fort, und ich fürchte schon, niemals wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen, als wir plötzlich direkt in einer Wolke landen.
    Es ist, als hätte jemand das Licht ausgeschaltet, ich kann die Hand vor Augen nicht mehr sehen. Wasser und Staub verkleben Augen und Nase, ich kriege kaum Luft, und meine Kleider, die nach meinem Ausflug in den Abwassertunnel gerade angefangen hatten zu trocknen, sind in Sekundenschnelle pitschnass.
    Die Vögel über mir sind in dem dichten Nebel kaum zu sehen …
    Wolken erstrecken sich scheinbar endlos und ich muss immer mehr nach Luft schnappen …
    Staub reizt meine Kehle, ich muss husten, aber der Nebel wird noch dicker und grauer …
    Und dann ist alles schwarz.
    Schaudernd schlage ich die Augen auf.
    Ich habe keinerlei Vorstellung, wo wir sind und wie lange wir unterwegs waren. Ich muss wohl eingeschlafen sein.
    Die Wolken haben wir längst hinter uns gelassen. Am Horizont ist ein rosafarbenes Licht, es hat mich aufgeweckt, es erfüllt den Himmel mit Wärme und beleuchtet das endlose Grün auf den Klippen der Küste. Das Licht lässt sogar die Brandung unter uns lauter rauschen.
    Ich komme mir vor wie in einem völlig fremden Land, aber das stimmt nicht. Wir sind nur an der Grenze, am Rand der Quarantäne-Zone, am Zipfel der Insel, umgeben vom Weltenozean, der inzwischen den Großteil unseres Planeten bedeckt.
    Endlich ändern wir unsere Richtung und steuern auf das verlassene Land zu. Jetzt fliegen wir auch etwas tiefer.
    Der Wind bläst mir stärker ins Gesicht, wir überqueren weite Moore …
    Dann ein altes Haus, bei dem die Hälfte des Daches fehlt …
    Eine zerbröckelnde Brücke, die aussieht, als hätte jemand Steine aus dem Mauerwerk gebissen. Verfallene Gebäude, bei denen die Rückwand eingestürzt ist und gelbe Blumen aus den zersplitterten Fenstern wuchern …
    Das offene Land. Von allen verlassen und für Menschen gesperrt.
    Und ich steuere direkt darauf zu.



Kapitel 8
    Weil wir unaufhaltsam weiter sinken, schrammen wir fast an einen alten Drahtzaun, an dem rot-weiße Schilder hängen. Wir fliegen so schnell darüber hinweg, dass ich sie nicht lesen

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