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Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Titel: Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Torday
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ich mich auf, wobei einige Kakerlaken vom Bett hinunterkullern. Aber der kleine Kerl, den ich im Hof gerettet habe, rührt sich nicht vom Fleck. Die anderen reichen die Karte einander weiter bis zu ihm, woraufhin er sie behutsam mit seinen Mundwerkzeugen vor mich hinlegt.
    Eine mit Kakerlakenspucke verschmierte Schlüsselkarte. Ich wische die Karte am Ärmel ab und sehe sie mir im blauen Mondlicht genauer an.
    Ein Wisch und die Tür ist offen – aber was dann?
    Der Kakerlak starrt mich an. Zwar erkenne ich seine Augen nicht, aber ich spüre, wie er mich beobachtet und auf etwas wartet.
    * Komm mit uns, Kester Jaynes, oder verrotte hier bis in alle Ewigkeit. Du hast die Wahl .*
    Ich bleibe sitzen, nur ein paar Sekunden, mehr nicht, und starre auf die Karte in meiner Hand, aber es kommt mir wie Stunden vor. Der Kakerlak platzt fast vor Ungeduld und tippt mit seinen Fühlern an mein Handgelenk.
    Als würde plötzlich ein Schalter in mir umgelegt, wenn auch nicht von mir selbst, greife ich unters Bett nach meiner Trainingshose. Ich ziehe sie an und sofort wieder aus, schüttle die Kakerlaken heraus und versuche es erneut. Vorsichtig, um die Kakerlaken nicht zu zertreten, gehe ich zum Schrank, was gar nicht so leicht ist, und hole meine Sachen heraus.
    Meine wenigen Habseligkeiten.
    Einen von Mentorium zur Verfügung gestellten roten Anorak.
    Einen gestreiften Schal von Ma und Pa.
    Eine Armbanduhr.
    * Beeil dich! *, ermahnt mich der Kakerlak.
    Ich lege die Armbanduhr an und mache den Verschluss fest zu.
    Ein letzter Blick ins Zimmer, ein tiefer Atemzug, und dann stecke ich die Schlüsselkarte in den Schlitz. Die Lichter blinken nacheinander in den verschiedenen Farben, bevor die Tür mit einem leisen Zischen zur Seite gleitet.
    Ich gehe nach Hause.
    Die Kakerlaken bilden auf dem Fußboden eine schwarze Panzerschicht, als sie in den Gang hinausströmen.
    Der Aufseher schläft tief und fest auf seinem Stuhl, die Hände locker in den Schoß gelegt, das wabblige Kinn auf der Brust. Die Lederschlaufe, an der die Schlüsselkarte hing, baumelt lose von seinem Gürtel. Die Kakerlaken haben wirklich sehr kräftige Kauwerkzeuge.
    Er murmelt und rührt sich im Schlaf, sodass ich vorsichtshalber einen Schritt zurückweiche. In diesem Moment dämmert es mir, dass die Sache ziemlich gefährlich werden könnte, aber Ma würde jetzt sagen: »Augen zu und durch.«
    Meine Tür ist offen.
    An meiner Schulter spüre ich eine Bewegung. Ich drehe den Kopf zur Seite.
    * Wie bist du da hingekommen? Ich habe gar nicht bemerkt, wie du – *
    * Mach schnell! *, unterbricht mich der Kakerlak. *Nicht alle Wachmänner sind so träge wie der hier .*
    Die schwarze Kugel an der Decke dreht sich langsam in unsere Richtung.
    * Wenn das so ist *, sage ich, * dann müssen wir etwas wegen der Überwachungskamera unternehmen .*
    Ich habe mich noch immer nicht an die Tierstimme in meinem Kopf gewöhnt.
    Der Kakerlak erteilt lautstark Befehle und als Antwort kommt ein flirrendes Geräusch vom anderen Ende des Korridors. Die grauen Vorhänge am Fenster lösen sich in zahllose Einzelteile auf und schwirren leise zu uns her. Erst da begreife ich, dass es gar kein Vorhang gewesen ist.
    Es sind Motten – viele, viele Motten. Sie sehen alle aus wie die eine Motte in meinem Zimmer.
    Ehe ich ihnen ausweichen kann, sind sie längst an mir vorbeigeflogen, hinauf zu der runden Schwenkkamera. Flügel an Flügel, dicht an dicht, setzen sie sich auf die schimmernde Linse, bis sie vollständig von ihren Leibern bedeckt ist.
    * Wie hast du das – *, fange ich an, aber auf meinem Arm ist niemand mehr. Der Kakerlak krabbelt bereits am Boden Richtung Lift, die anderen machen für ihn Platz. Kurz vor der offenen Tür dreht er sich um, richtet sich auf und knurrt mich an.
    *Worauf wartest du noch? Los jetzt! *
    Zuerst füttere ich ihn und jetzt kommandiert er mich herum. Ich steige in den Lift und strecke die Hand aus. Der Anführer klettert hinein. Ich hebe ihn auf Augenhöhe und betrachte die weißen Streifen auf seinem Rücken.
    * Ich werde dich General nennen *, sage ich zu ihm.
    * Wie du willst *, erwidert er.
    * Hast du keinen richtigen Namen? *
    Seine Fühler zucken.
    * Nur weil du unsere Sprache sprechen kannst, heißt das noch lange nicht, dass du unsere Lebensart verstehst. Setzt du jetzt endlich diesen Käfig in Bewegung, oder warten wir, bis dieser Dummkopf wieder aufwacht? *
    * Welches Stockwerk? *, frage ich.
    * Erdgeschoss! * Und schon kriecht er von der Hand

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