Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)
wenn jemand über einen wacht .*
Jetzt ist das Wolfsjunge verwirrt. Rat suchend sieht es den Hirsch an.
* Nein, ich meine – du solltest besser auf der Hut sein! Das wollte ich damit nur sagen .*
* Ich werde mich bemühen, Kleiner Wolf *, erwidere ich und bemühe mich, ein Lächeln zu unterdrücken, während ich wieder auf den Rücken des Hirschs klettere. Ich spüre die Blicke des kleinen Wolfs und wie er jede meiner Bewegungen beobachtet. Eine Zeit lang herrscht abwartende Stille.
Nach einer Weile bricht der Hirsch das Schweigen.
* Nun, Wolfsjunge, wirst du dich uns in Frieden anschließen? * Kleiner Wolf schnaubt und sieht mich an. Unschlüssig fährt er sich mit der Zunge über die Schnauze. * In diesem Fall bist du uns allen willkommen *, fügt der Hirsch hinzu.
Er beugt sich vor und versetzt dem kleinen Wolf einen sanften Nasenstüber.
Und dann geht es auch schon weiter. Wir kehren zurück in den Nebel, die Tauben zeigen uns den Weg, ganz ohne jedes Gurren und Rufen, und das Wolfsjunge trottet hinter uns her, so als wäre es von Anfang an mit von der Partie gewesen – was in gewisser Weise wohl auch stimmt. Der Kleine ist sehr still, vorsichtig und behutsam setzt er eine Pfote vor die andere auf seinem Weg über den bröckelnden Schiefer, der ihm offensichtlich nicht ganz geheuer ist.
Das einzige Geräusch ist ein stetes, leises Schnarchen und es kommt aus meiner Jackentasche. Kaum zu fassen, aber der General hat tatsächlich unser Aufeinandertreffen mit dem kleinen Wolf verschlafen.
Ich würde alles dafür geben, wenn ich mich jetzt hinlegen und schlafen könnte. Mein Kopf blubbert und pocht, und bei jedem Schritt, den der Hirsch macht, habe ich das Gefühl, mich übergeben zu müssen.
Die Felswände weichen grünen Hängen, die mit dornigen Pflanzen überwuchert sind. Man sieht sie nicht sofort, weil hübsche gelbe Blüten den Blick auf sich lenken, aber sie stechen in die Flanken des Hirschs und schürfen meine Beine auf. Dennoch folgen wir dem matschigen, wurzelbewachsenen, steilen Pfad, der schließlich zu einer kleinen Hügelkuppe führt, die den Blick auf einen grünen, dunklen Wald freigibt. Und dahinter – zwischen dichten Bäumen und vor dem grauen Himmel nur in Umrissen zu erkennen, aber ganz ohne jeden Zweifel direkt vor uns – eine Reihe von sechs Kaminen.
Ich habe auf unserer Reise schon andere Häuser und Kamine gesehen, aber diesmal entdecke ich etwas, das bisher fehlte.
Rauch.
Meine Gedanken schlagen Funken. Wenn Kamine rauchen, dann warten im Innern Feuer und Wärme auf uns. Und vielleicht ein richtiger Schlafplatz statt eines unbequemen Felsens. Natürlich spreche ich meine Gedanken nicht aus. Mein Kopf und mein Magen fühlen sich hohl an, wie ausgeschabt, und jedes Wort wäre eine viel zu große Anstrengung.
* Seht ihr? Da ist Rauch .*
Der Hirsch knurrt und dreht sich um, dann trabt er dorthin zurück, wo wir hergekommen sind, den schmalen felsigen Pfad entlang, hinein in den weißen Dunst. Ich kralle mich in sein Fell.
* Halt! Was machst du denn? Das ist die falsche Richtung .*
* Wer weiß, was uns dort erwartet .*
* Aber mir geht es nicht gut. Ich muss mich ausruhen .*
Er sieht mich lange an.
* Meinen Tieren geht es auch nicht gut. Und wenn wir nicht bald ein Heilmittel beschaffen, werden sie alle sterben. Wir dürfen das Risiko nicht eingehen, dass man uns entdeckt .*
Das ist ja wohl ein Witz. Mit einem flüchtigen Blick überprüfe ich, ob irgendwo kantige Steine liegen, ehe ich von seinem Rücken hüpfe. Von der schnellen Bewegung wird mir schwindlig. Das Wolfsjunge weicht mir aus und stellt misstrauisch die Ohren auf. Der Hirsch geht einfach weiter, doch nach ein paar Schritten bleibt er seufzend stehen, dreht sich um und sieht mich finster an. Wenn man auf seinem Rücken sitzt, vergisst man, wie groß und kraftvoll er ist.
Ich bücke mich nach einem abgebrochenen Ast, den ich wie ein Schwert vor mich halte.
Meine Hände zittern zwar vor Kälte, aber in meinen Eingeweiden brennt jetzt ein Feuer, das die Kehle hinaufsteigt, bis sogar die Augen brennen und mein Kopf voller Rauch ist.
* Bitte, Hirsch! Mir ist schlecht. Wenn du mich nicht zu den Häusern bringst, werde ich sterben .*
Der Hirsch antwortet sanft, beinahe zärtlich. Ich wünschte, er wäre nicht so sanft. Man kann niemanden schlagen, der so sanft ist.
* Nun gut. Wir können eine kleine Rast einlegen, wenn du das möchtest .*
Ich sehe überall nur steinigen Boden und dornige Büsche.
* Ich
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