Die große Zukunft des Buches
Buch niemals in einem Katalog zu dem Thema aufgetaucht ist, jedenfalls nicht in den letzten dreißig Jahren. Es wurde mit einem Schätzpreis von heute 100 Euro angegeben.Ich sagte mir, dass es der Aufmerksamkeit der Sammler vielleicht entgehen könnte, weil es normalerweise in die Rubrik »Okkultes« hätte eingeordnet werden müssen. Die Auktion fand in München statt. Ich schrieb an meinen deutschen Verleger, der in München sitzt, er solle hingehen, aber nicht mehr als 200 Euro bieten. Er hat es für 150 bekommen.
Dieses Buch ist nicht nur eine absolute Rarität, es finden sich außerdem auf jeder Seite Anmerkungen in gotischer Schrift, in Rot, Schwarz, Grün, die daraus ein ganz besonderes Kunstwerk machen. Doch abgesehen von solchen Glücksfällen haben die Preise bei Auktionen in den letzten Jahren ungeahnte Höhen erreicht, aufgrund der Präsenz von Käufern auf dem Markt, die nichts von Büchern verstehen, denen aber einfach gesagt wurde, alte Bücher könnten eine gute Investition sein. Was vollkommen falsch ist. Wenn Sie für 1000 Euro einen Schatzbrief kaufen, können Sie ihn durch einen einfachen Anruf bei Ihrer Bank wenig später entweder zu demselben Preis oder mit einer kleinen Gewinnmarge wiederverkaufen. Wenn Sie aber ein Buch für 1000 Euro kaufen, werden Sie es morgen nicht für 1000 Euro wieder verkaufen können. Der Buchhändler muss auch seinen Gewinnanteil herausholen: Ihm sind Kosten entstanden, für den Katalog, für sein Geschäft und so weiter – und im Übrigen, wenn er unredlich ist, wird er versuchen, Ihnen weniger als ein Viertel vom Marktpreis zu geben. Um einen guten Käufer zu finden, braucht man in jedem Fall Zeit. Geld machen Sie erst nach Ihrem Tod, wenn Sie den Verkauf Ihrer Bücher Christie’s anvertrauen.
Es ist jetzt fünf oder sechs Jahre her, da zeigte mir ein Mailänder Antiquar eine wunderbare Inkunabel des Ptolemäus. Unglücklicherweise verlangte er den Gegenwert von hunderttausend Euro. Das war zu viel, wenigstens für mich.Hätte ich zu dem Preis gekauft, hätte ich alle nur erdenkliche Mühe gehabt, zum selben Preis wieder zu verkaufen. Drei Wochen später wurde ein ähnlicher Ptolemäus bei einer öffentlichen Versteigerung für 700000 Euro abgegeben. Sogenannte Investoren hatten sich einen Spaß daraus gemacht, den Preis in die Höhe zu treiben. Und seit damals, ich habe das überprüft, jedesmal, wenn es wieder in einem Katalog auftauchte, ist es nie wieder billiger geworden. Zu einem solchen Preis entgeht das Buch den wirklichen Sammlern.
J.-C. C.: Es wird Spekulationsobjekt, ein Produkt, und das ist ziemlich traurig. Sammler, die wirklichen Liebhaber des Buches, sind im Allgemeinen keine Leute mit großem Vermögen. Durch den Übertritt in die Finanzwelt, versehen mit dem Label »Investition«, geht etwas verloren, hier wie anderswo.
U. E.: Zunächst einmal, der Sammler geht nicht auf Auktionen. Da solche Auktionen in allen fünf Erdteilen abgehalten werden, bräuchte man beträchtliche Mittel, um bei jedem Termin dabeizusein. Aber der zweite Grund ist, dass die Buchhändler den Verkauf regelrecht manipulieren: Sie sprechen sich untereinander ab, um die Gebote nicht in die Höhe gehen zu lassen, woraufhin sie sich im Hotel wiedersehen und unter sich aufteilen, was sie gekauft haben. Um ein Buch zu kaufen, das man liebt, muss man manchmal zehn Jahre vergehen lassen. Eines meiner schönste Geschäfte habe ich wiederum bei Kraus gemacht, und zwar mit fünf zusammengebundenen Inkunabeln, für die eine Summe verlangt wurde, die für mich entschieden zu hoch war. Aber jedesmal, wenn ich zu Kraus kam, machte ich Scherze über die Tatsache,dass sie die Bücher noch immer nicht verkauft hatten, vielleicht doch ein Zeichen dafür, dass sie zu teuer waren. Am Ende hat der Chef gesagt, meine Treue und meine Beharrlichkeit müssten belohnt werden, und hat mir die Bücher für ungefähr die Hälfte des ursprünglich verlangten Preises überlassen. Einen Monat später wurde in einem anderen Katalog eine einzige dieser Inkunabeln ungefähr doppelt so hoch bewertet wie das, was ich für alle fünf bezahlt hatte. Und im Lauf der folgenden Jahre ist der Preis für jedes der fünf unaufhaltsam nach oben geklettert. Zehn Jahre Geduld. Ein amüsantes Spiel.
J.-C. C.: Glauben Sie, dass der Sinn für alte Bücher erhalten bleiben wird? Das ist die Frage, die sich gute Buchhändler nicht ohne Sorge stellen. Wenn ihre Klientel nur noch aus Bankern besteht, dann ist ihr
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