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Die große Zukunft des Buches

Titel: Die große Zukunft des Buches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco , Jean-Claude Carrière
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Buchhändler, der auf Bücher zu naturwissenschaftlichen Themen spezialisiert ist. In meiner Studentenzeit ließ er mich und meine Freunde in den Laden, obwohl er sehr wohl wusste, dass wir ihm nichts abkaufen konnten. Aber er redete mit uns, er zeigte uns schöne Dinge. Er ist einer von den Menschen, die meinen Geschmack geformt haben. Er wohnte in der Rue du Bac, auf der anderen Seite des Boulevard Saint Germain. Eines Abends geht er nach Hause, überquert den Boulevard, und auf seinem Weg bemerkt er, dass aus einer Mülltonne ein Messingteil heraussteht, welches seinen Blick anzieht. Er bleibt stehen, macht den Deckel auf, durchsucht die Mülltonne und holt eine der zwölf, von Pascal selbst gebauten Rechenmaschinen heraus. Ein unschätzbares Stück. Heute steht sie im CNAM, dem Conservatoire nationale des arts et metiers (Nationales Handwerksmuseum). Wer hatte sie weggeworfen? Und welche Koinzidenz, dass dieses geübte Auge just an diesem Abend dort vorbeikam!
     
    U. E.: Als ich vorhin an meine Entdeckung bei dem Buchhändler von Granada erinnerte, habe ich natürlich Spaß gemacht. Ganz einfach, weil ich, um ehrlich zu sein, überhaupt nicht sicher bin, ob es bei ihm nicht noch ein drittes Werkgab, das mich ebenso begeistert hätte wie die anderen beiden. Vielleicht ist Ihr Buchhändler-Freund ja dreimal an dem Objekt, das ihm Zeichen machte, vorbeigelaufen, ohne es zu sehen, und hat die Pascalsche Maschine erst beim vierten Mal bemerkt.
     
    J.-C. C.: Es gibt im Katalanischen einen Grundlagentext, ein erstes Dokument in dieser Sprache aus dem 13. Jahrhundert. Dieses Manuskript, das nur zwei Seiten umfasst, ist seit langem verschollen, es gibt aber eine gedruckte Version davon aus dem 15. Jahrhundert. Eine äußerst seltene Inkunabel also. Für einen katalanischen Buchliebhaber ist das natürlich die kostbarste Inkunabel der Welt. Zufällig kenne ich in Barcelona einen Buchhändler, der nach Jahren der Nachforschungen, wie ein Detektiv hartnäckig halb verwischten Spuren nachgehend, die kostbare Inkunabel schließlich ausfindig machen konnte. Er hat sie gekauft und an die Bibliothek von Barcelona weiterverkauft. Zu einem Preis, den er mir nie genannt hat, der aber ziemlich beachtlich gewesen sein muss.
    Einige Jahre vergingen. Derselbe Buchhändler kauft eines Tages einen großen Folioband aus dem 18. Jahrhundert, bei dem der Einband, wie das häufiger vorkommt, mit altem Papier vollgestopft ist. Er tut also, was man in derlei Fällen macht, er schlitzt den Einband behutsam mit einer Rasierklinge auf, um die alten Papiere herauszunehmen. Und unter diesen findet er das Manuskript aus dem 13. Jahrhundert, das lange für verschollen gegolten hatte. Das Manuskript selbst, das Original. Er glaubte, in Ohnmacht zu fallen. Der eigentliche Schatz selbst. Der ihn da erwartete. Jemand hatte das Dokument aus purer Unkenntnis dort hineingesteckt.
     
    U. E.: Quaritch, der bedeutendste Buchantiquar Englands, vielleicht der Welt, hat einmal eine ganze Ausstellung nur mit Manuskripten veranstaltet, die in Einbänden gefunden worden waren, samt dazugehörigem Katalog. Da fand sich sogar die minutiöse Beschreibung eines Manuskripts, das den Brand der Bibliothek in Der Name der Rose überstanden hatte, ein Manuskript, das natürlich frei erfunden war. Mir ist das aufgefallen (man brauchte nur die Maße zu überprüfen, um festzustellen, dass es so groß war wie eine Briefmarke), und so sind wir Freunde geworden. Aber viele Leute glaubten, es handle sich um ein echtes Dokument.
     
    J.-C. C.: Halten Sie es für möglich, dass noch eine Tragödie von Sophokles gefunden wird?
     
    U. E.: Bei uns in Italien gab es kürzlich einen großen Streit, der alle sehr erregt hat, um den Papyrus des Artemidor, den die Fondazione bancaria San Paolo in Turin zu einem beachtlichen Preis erworben hat. Die beiden größten Spezialisten Italiens befehdeten sich: Ist dieser dem griechischen Geographen Artemidor zugeschriebene Text echt oder eine Fälschung? Jeden Tag fand man in der Presse die lautstarke Stellungnahme eines neuen Fachmannes, der die Meinung vom Vortag bestätigte oder widerlegte. Das als Beleg dafür, dass hier und da immer wieder mehr oder weniger reiche Schätze aus der Vergangenheit auftauchen. Es ist erst fünfzig Jahre her, dass die Manuskripte vom Toten Meer gefunden wurden. Ich glaube, die Wahrscheinlichkeit, auf solche Dokumente zu stoßen, ist heutzutage größer, es wird mehr gebaut, mehr Erdreich bewegt. Heute ist die

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