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Die großen Vier

Die großen Vier

Titel: Die großen Vier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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zum Beispiel in Südamerika.»
    Ich ging einen Schritt vorwärts.
    «Wo ist meine Frau, was haben Sie dort mit ihr getan?»
    «Sie befindet sich an einem sicheren Ort, wo sie kaum jemand finden wird. Bis jetzt ist ihr noch kein Leid geschehen. Wohlgemerkt, bis jetzt!»
    Kalte Schauer rannen mir über den Rücken, als ich in die grinsende Fratze dieses Teufels sah.
    «Was wünschen Sie von mir?», schrie ich. «Geld?»
    «Mein lieber Hauptmann Hastings, wir planen keinen Anschlag auf Ihre bescheidenen Ersparnisse, das versichere ich Ihnen. Verzeihen Sie mir, aber ich muss feststellen, dass Sie in der Beurteilung Ihrer Lage nicht viel Intelligenz zeigen. Ihr Herr Kollege hätte bestimmt keine solche Frage gestellt, dessen bin ich sicher.»
    «Dann muss ich annehmen», sagte ich gedehnt, «dass Sie mich zu einem Ihrer Werkzeuge machen wollen. Well, diesmal haben Sie gewonnen, doch ich bin freiwillig hierher gekommen. Tun Sie mit mir, was Sie wollen, aber lassen Sie meine Frau frei. Sie ist völlig ahnungslos und dürfte für Sie kaum von Nutzen sein. Sie diente nur als Köder, um mich in Ihre Hände zu bringen. Nun, das haben Sie erreicht, und damit dürfte die Sache erledigt sein.»
    Der lächelnde Orientale strich sich bedächtig die Wangen, mich von der Seite mit seinen Schlitzaugen ansehend.
    «Sie haben es etwas zu eilig», erwiderte er katzenfreundlich. «Damit ist die Angelegenheit noch keinesfalls erledigt. Es ist tatsächlich nicht allein unser Bestreben, Sie in unseren Händen zu haben, wie Sie sich auszudrücken belieben, sondern wir hoffen vielmehr, durch Sie auch unseren gemeinsamen Freund Hercule Poirot in unsere Gewalt zu bekommen.»
    «Da haben Sie sich aber gründlich verrechnet», erwiderte ich mit einem spöttischen Lächeln.
    «Was ich im Sinne habe, ist Folgendes», fuhr der Chinese fort, ohne meinen Worten irgendwelche Beachtung zu schenken. «Sie werden Mr Hercule Poirot einen Brief schreiben, in welchem Sie ihn veranlassen, hierher zu eilen, um an unserer anregenden Unterhaltung teilzunehmen.»
    «Schlagen Sie sich so etwas gleich aus dem Kopf», stieß ich ärgerlich hervor.
    «Die Folgen Ihrer Weigerung werden aber sehr unerfreulich für Sie sein.»
    «Gehen Sie zum Teufel mit Ihren Drohungen!»
    «Die Alternative kann den Tod zur Folge haben!»
    Ein kalter Schauer rann mir über den Rücken, jedoch bemühte ich mich, kaltblütig zu erscheinen.
    «Es ist zwecklos, mir drohen und mich einschüchtern zu wollen. Das können Sie mit Ihren chinesischen Schuften machen.»
    «Meine Drohungen sind aber sehr realen Charakters, Hauptmann Hastings. Ich frage Sie nochmals: Wollen Sie diesen Brief schreiben?»
    «Ich weigere mich, und darüber hinaus warne ich Sie; wagen Sie nicht, mich zu töten, denn binnen kurzem hätten Sie die Polizei auf Ihren Fersen.»
    Mein Gegenüber klatschte nur kurz in die Hände. Wie aus dem Erdboden gestampft, erschienen zwei chinesische Bedienstete und umklammerten meine beiden Arme. Ihr Herr, sprach einige rasche Worte in chinesischer Sprache zu ihnen, und sie zogen mich quer über den Fußboden zu einer Stelle in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes. Einer von ihnen bückte sich, und ganz unvermutet gab der Boden unter meinen Füßen nach. Ohne die mich zurückhaltende Hand des anderen Chinesen wäre ich unweigerlich in die gähnende Tiefe gestürzt. Ich sah in die Dunkelheit unter mir und konnte das Rauschen von Wasser deutlich vernehmen.
    «Der Fluss», bemerkte mein Peiniger von seinem Platz auf dem Diwan. «Überlegen Sie es sich gut, Hauptmann Hastings. Wenn Sie sich nochmals weigern, gehen Sie kopfüber in die Ewigkeit und verschwinden in den dunklen Wassern dort unten. Zum letzten Male: Sind Sie gewillt, jenen Brief zu schreiben?»
    Ich bin nicht mutiger als andere Menschen in einer solchen Situation und gebe offen zu, dass ich zu Tode erschrocken war und in furchtbarer Angst schwebte. Jener chinesische Teufel meinte es bitterernst, das war mir nur allzu klar. Eine Weigerung bedeutete für mich nichts anderes als ein Lebewohl an diese schöne Welt. Verständlicherweise zitterte meine Stimme, als ich erwiderte: «Zum letzten Male, nein! Gehen Sie zur Hölle mit Ihrem Schreiben.»
    Dann schloss ich ergeben die Augen und murmelte ein kurzes Stoßgebet.

13
     
    N icht oft im Leben steht ein Mensch an der Schwelle der Ewigkeit; als ich jedoch jene Worte in dem Keller des Eastends sprach, fühlte ich nur zu deutlich, dass es meine letzten Worte auf Erden sein würden.

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