Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
und er wurde in das Saint-Sauveur-Krankenhaus in Villette gebracht. Er würde überleben, sagten die Ärzte.
Der Laptop, der in seinem Müll gefunden worden war, hatte tatsächlich Fabien Lenormand gehört, und obwohl Morel versucht hatte, ihn abzuwischen, waren ein paar Fingerabdrücke zurückgeblieben. Auch in Fabiens Auto hatte man Fingerabdrücke seines Mörders finden können, jetzt, wo die Techniker wußten, wonach sie suchen mußten.
Es bestanden auch gute Aussichten, ihn mit dem Mord an Birgitta Matsson in Verbindung zu bringen, nachdem das Gewehr, das er benutzt hatte, im Wald gefunden worden war, wo er versucht hatte, es unter einem Laubhaufen zu verstecken.
Nachdem sie sich von ihren Strapazen in Bergers brennendem Haus ein wenig erholt hatte, hatte Martine ein Krankenhaus aufgesucht, aber die Ärzte hatten an ihr keine Verletzung festgestellt. Sie hatte den giftigen Rauch nur kurze Zeit eingeatmet, so daß sie davon keinen Schaden genommen hatte, sagte der Arzt, der sie untersuchte, undempfahl, den Rest des Tages zu Hause auszuruhen. Thomas kam und holte sie ab, und sie setzten sich auf die Bank im Garten, eng beieinander, während sie erzählte, was passiert war.
Sie spürte einen dicken Klumpen Tränen im Hals, als sie von Stéphane Berger sprach. Sie fragte sich, wie er hatte rauskommen können, und sie wurde den Gedanken nicht los, daß er dafür gesorgt hatte, daß sie als erste durch das Fenster kletterte, damit Morel abgelenkt und auf sie schießen würde, so daß er ungestört fliehen konnte. Auch er mußte das Fenster benutzt haben, um das brennende Haus zu verlassen. Oder gab es einen anderen Weg aus dem Geheimraum, den er ihr nicht gezeigt hatte? Sie fühlte sich bizarrerweise von Berger verraten – sie hatte Sympathie für ihn empfunden, und er war bereit gewesen, sie zu opfern, um seine eigene Haut zu retten. Das hätte sie nicht wundern dürfen, aber sie fühlte sich unerklärlich enttäuscht.
Sie fragte sich, wo Berger abgeblieben war und was er mit den Bildern gemacht hatte, die er aus dem Haus mitgenommen hatte. Sie dachte an »Schnell jagt der Sturm unsere Jahre«, Eva Lidelius’ Gemälde mit den zwei kleinen Mädchen, dem Skelett im Sand und dem drohenden Meer im Hintergrund. Sie wußte, daß die Mädchen auf dem Bild Sophie und Christine waren, aber wenn sie an das Bild dachte, waren es Annunziata und Annalisa Paolini, die sie sah, zwei kleine Mädchen, allein auf der Welt zwischen Tod und Katastrophen. Sie fragte sich, ob es das war, was Berger gesehen hatte, ob ihm deshalb so daran gelegen war, die Bilder mitzunehmen.
Nein, dachte sie, jetzt war sie wieder soweit und versuchte, etwas Gutes zu sehen, wo es nichts Gutes zu sehen gab.
Sie leitete am Dienstag die Arbeit mit der Voruntersuchung über Wirtschaftsverbrechen im Zusammenhang mit Berger Rebar ein. Die Razzien des Montags hatten reichlich Ertrag erbracht, besonders die Kartons mit Akten von Berger Rebar, die in einem Schrank in Mazzeris Putzfirma gefunden worden waren. Jacques Denisot und die anderen Polizisten von der Finanzabteilung rieben sich die Hände bei dem Gedanken, wie viele Anklagen man würde erheben können, wenn alle Goldkörner aus den Dokumenten herausgewaschen worden waren.
Berger Rebar schien plötzlich vor dem Konkurs zu stehen. Louis Victor war über Nacht verschwunden, und als sich sowohl der Eigentümer als auch der Betriebsleiter in Luft aufgelöst hatten, war die Arbeit eingestellt worden. Die Wirtschaftsprüfer der Gesellschaft hatten angefangen, eine Kontrollbilanz zu erstellen, und konnten schon nach einem halben Tag vorläufig feststellen, daß die Kasse leer und der größere Teil des Aktienkapitals verbraucht war. Forvil weigerte sich, Rohlinge für das Walzwerk zu liefern, weil das meiste darauf hindeutete, daß man nie für sie bezahlt werden würde. Gleichzeitig saßen Eigentümer und Geschäftsführung von Forvil in einer Krisensitzung und diskutierten, wie man mit dem Problem umgehen sollte, daß der Aufsichtsratsvorsitzende der Gesellschaft festgenommen worden war, verdächtigt des Mordes und des Mordversuchs.
Eine Gruppe unruhiger und untätiger Angestellter hing vor dem rußigen Ziegelgebäude von Berger Rebar herum, als Martine am späten Vormittag dorthin kam. Zu ihrem Erstaunen sah sie Nathalie Bonnaire zwischen ihnen stehen, Notizbuch und Stift gezückt, das Gesicht weiß wie die Blätter des Notizbuches, aber mit einem kampflustigen Funkeln in den braunen Augen.
Sie ging zu
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