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Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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seine Theorie also, daß Fabien Lenormand nach Genk gefahren war, dort seinen Mörder getroffen hatte und im Schutz des Abenddunkels in den Prahm gekippt worden war, während die Besatzung zu Abend aß. Dann hatte der Mörder das Auto seines Opfers zurück nach Brüssel gefahren und es am Gare Centrale stehenlassen.
    Aber warum Genk? Und wie hatte Fabien Lenormand Kontakt mit dem Mörder bekommen? Christian erinnerte sich, daß die Arbeitgeberin des Journalisten gesagt hatte, daß er in die Nationalbibliothek, die Bibliothèque Royale, gehen wollte, um alte Zeitungen zu lesen. Hatte er das getan?
    Christian verspürte den Drang, sich zu bewegen. Er schrieb einen Zettel für Alain Desmets, dankte überschwenglich für seine Hilfe und versprach, von sich hören zu lassen. Dann ging er hinaus, überquerte die Grande Place und ging weiter hinauf zum Mont des Arts und zum streng geometrischen Gebäude der Nationalbibliothek.
    Eine hilfsbereite Empfangsdame stellte schnell fest, daß Fabien Lenormand am Dienstag keinen Fuß dorthin gesetzt hatte, sich jedenfalls nicht als Besucher eingetragen hatte, was er, wie sie versicherte, hätte tun müssen, wenn er alte Zeitungen aus dem Archiv hätte bestellen wollen.
    Aber was hatte er dann getan, bis er seinen Renault am Nachmittag vollgetankt hatte? Christian rief vom Telefon am Empfang wieder Annick in Villette an. Er erzählte eilig, was er herausgefunden hatte.
    – Lenormand hat mindestens eine Nacht in Brüssel verbracht, sagte er, wenn er in einem Hotel übernachtet hat, müßte man es an seiner Karte sehen.
    – Yes, sagte Annick, ich habe es hier, er hat da einmal übernachtet und am Morgen gefrühstückt.
    Sie gab ihm den Namen und die Adresse des Hotels. Christian erkannte den Namen der Straße. Sie lag in der Nähe des Gare du Nord, einen zwanzigminütigen schnellen Spaziergang vom Mont des Arts entfernt. Er entschloß sich, dorthin zu gehen.
    Das Hotel, in dem Fabien Lenormand seine letzte Nacht im Leben verbracht hatte, war ein Niedrigpreishotel mit einer Rezeption, die so eng war, daß Christian kaum wagte, die Arme zu bewegen, aus Angst, die staubige Yuccapalme umzuwerfen, die zusammen mit einem verblichenen Foto von König Baudouin und Königin Fabiola die Dekoration bildete. Aber das Mädchen an der Rezeption wirkte aufgeweckt.»Angélique Lubaki« stand auf dem Namensschild, das an ihrer blendend weißen Hemdbluse befestigt war.
    Sie erinnerte sich sehr wohl an Fabien Lenormand.
    – Er war nett, sagte sie, und jung. Die meisten, die hier wohnen, sind ja sonst, ja …
    – Weder nett noch jung, vielleicht, sagte Christian und lächelte.
    – Nein, es sind mehr alte Säufer, leider, sagte Angélique Lubaki und lächelte zurück.
    – Sie haben anscheinend mit ihm gesprochen, sagte Christian, hat er Ihnen zufällig erzählt, was er vorhatte, nachdem er ausgecheckt hatte, Mademoiselle Lubaki?
    Sie nickte eifrig.
    – O ja, sagte sie, er hat gefragt, wie er zur Solvay-Bibliothek finden würde, und ich habe es ihm auf der Karte gezeigt und versucht, ihm zu erklären, wie er fahren sollte.
    – Solvay-Bibliothek, sagte Christian erstaunt, im Parc Léopold? Was wollte er da, das ist doch inzwischen die reine Ruine? Als ich in Brüssel wohnte, war sie ein Eldorado für Vandalen und Sprayer.
    – Nein, sagte Angélique Lubaki, jetzt nicht mehr, die ist neu renoviert und wunderschön, ich habe da einmal reingeguckt, als ich mit meinem kleinen Bruder im Naturhistorischen Museum war. Ich glaube, da finden jetzt immer Konferenzen und Empfänge und so was statt.
    Jetzt hatte Christian das Herumlaufen satt. Angélique Lubaki suchte die Telefonnummer der Bibliothek heraus, wählte sie und reichte den Hörer Christian.
    Am Dienstag war in der Solvay-Bibliothek ein Seminar abgehalten worden. Der Veranstalter des Seminars war die EU-Kommission, und das Thema war gewesen »Beschäftigung in Europa – welcher Weg vorwärts?«. Mehrere hervorragendeForscher, Politiker und Wirtschaftsvertreter waren zur abschließenden Podiumsdiskussion angemeldet gewesen.
    Und einer von ihnen war Stéphane Berger.
    Als Martine den abgeschnittenen Katzenkopf wiedererkannt hatte, hatte sie schnell die Tür wieder zugezogen und sie mit zitternden Fingern abgeschlossen und verriegelt. Dann war sie eilig ins Wohnzimmer gegangen, um die schweren Jalousien über den Fenstern zum Garten herunterzulassen. Während sie sie herunterkurbelte, hatte sie in das Dunkel da draußen, undurchdringlich und

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