Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
bedrohlich, gestarrt. Als alle Jalousien an Ort und Stelle waren, hatte sie im Justizpalast angerufen.
Was sie am meisten erschreckte, war der Gedanke, daß jemand das Haus bewacht und sie beobachtet haben mußte, als sie nach Hause kam. Die Katze hatte da noch gelebt. Jemand mußte sie gefangen und ihr den Kopf abgeschnitten haben, kaum daß sie die Tür geschlossen hatte, vielleicht, als sie unter der Dusche stand. Sie sah vor sich, wie ein Paar starke Hände den Katzenkopf umfaßten, oder hatte er ein Messer gehabt?
Über der Toilette im Erdgeschoß erbrach sie, was von ihrem guten Abendessen noch übrig war.
Als das Telefon klingelte, wagte sie kaum abzuheben, tat es aber schließlich doch. Es war Thomas. Um ihn nicht zu beunruhigen, er konnte ja doch nichts tun, sagte sie nichts von der toten Katze und beendete das Gespräch schnell mit dem Hinweis, daß sie müde sei. Vermutlich hörte Thomas, daß sie komisch klang, aber das mußte sie später erklären.
Serge Boissard, der zufällig im Justizpalast gewesen war, als sie anrief, saß mit in einem der Polizeiwagen, die nachweniger als einer halben Stunde auftauchten. Er übernahm energisch das Kommando. Der Katzenkopf wurde fotografiert und in eine Plastiktüte gesteckt, um von den Kriminaltechnikern untersucht zu werden.
Zu diesem Zeitpunkt fühlte sich Martine schon töricht und fand, daß sie eine zu große Affäre aus der Sache machte.
– Seien Sie nicht dumm, sagte Serge bestimmt, es ist klar, daß wir das hier ernst nehmen müssen. Das war kein Dummerjungenstreich, das beweist der Anruf, den Sie bekommen haben, es war eine Warnung.
– Aha, murmelte Martine, aber wovor? Das vergaß der Anrufer zu erzählen.
– Der Fall, mit dem wir uns gerade beschäftigen, sagte Serge, Sie waren ja heute nachmittag bei Berger Rebar, und dann haben Sie mit diesem Gewerkschaftstypen, Becker, zu Abend gegessen, da ging es wohl auch um Bergers Geschäfte?
Sie nickte mißmutig. Halb Villette wußte natürlich schon von ihrem Essen mit Jean-Claude.
Serge entschied, daß einer der Polizeiwagen die ganze Nacht bleiben sollte, und sie ging etwas beruhigt zu Bett. Aber sie konnte nicht einschlafen, sie drehte und wendete die Ereignisse des Abends in ihrem Hirn. Der Katzenkopf auf der Treppe hatte etwas Amateurhaftes, brutal, aber dennoch kindisch. Es war nicht das erste Mal, daß sie davor gewarnt worden war, sich einzumischen, aber das letzte Mal passierte es mit größerer Finesse, subtiler, aber deutlicher.
Als sie schließlich eingeschlafen war, träumte sie, daß die gelbe Katze auf dem Erzprahm saß und dreimal miaute, um dann in den Klauen eines Raubvogels weggetragen zu werden. »Sie war zu neugierig«, sagte Michel Pirot, der an sein Auto gelehnt dastand. Dann tauchte Thomas auf und sagte,sie müsse mit ihm nach Schweden kommen, um sich einen Igel anzusehen, aber sie konnte nicht mit, weil sie den Mord an der Katze aufklären mußte.
Am Morgen schminkte sie sich mit ungewöhnlicher Sorgfalt, um die Spuren der schlaflosen Nacht zu verdecken, trank eine Tasse Kaffee und versuchte, ein Butterbrot herunterzubekommen, obwohl sie keinen Appetit hatte. Sie lehnte das Angebot, sich vom Polizeiwagen zum Dienst fahren zu lassen, ab, weil sie am Nachmittag ihr eigenes Auto brauchen würde.
Das erste, was sie sah, als sie in ihr Dienstzimmer kam, war Serge Bossard, der auf ihrem Schreibtisch saß, frisch und fröhlich, mit einem Blatt Papier in der Hand.
– Der Anruf bei Ihnen gestern abend kam aus einer Telefonzelle am Bahnhof, sagte er, also waren sie entweder zu zweit, oder es war einer, der sich die Katze vornahm, sobald Sie die Tür geschlossen hatten, und dann zum Bahnhof stürzte, um anzurufen.
– Die Katze? fragte Julie, die gerade mit zwei dicken Mappen unter dem Arm eintrat. Martine erzählte, was passiert war.
– »Curiosity killed the cat«, sagt man das nicht so auf englisch, sagte Julie und legte die Mappen auf den Schreibtisch.
– Ja, was diese Katze erledigt hat, war, daß ihr jemand den Hals umgedreht hat, sagte Serge, und dann hat man mit einem kleinen Messer, vermutlich einem gewöhnlichen Taschenmesser, den Kopf abgesäbelt. Muß ein anstrengender Job gewesen sein. Ich habe die kommunale Polizei draußen bei Ihnen angerufen und mit einer Kontaktbeamtin geredet, sie versprach, sich bei Ihren Nachbarn umzuhören und zu fragen, ob jemand was gesehen hat. Das ist es wohl, was wir heute tun können.
Er verschwand in den Korridor, munter
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