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Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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schnell expandiert hatte.
    – Die Leute durften die Autos eine Woche probefahren, sagte Julie, und dann fiel es ihnen schwer, sich von ihnen zu trennen, besonders, wenn sie vorher kein Auto gehabt hatten. Und dann bekamen sie Abzahlungsbedingungen, die am Anfang großzügig wirkten. Es wird natürlich behauptet, daß die, die nicht rechtzeitig bezahlten, die Kniescheiben eingeschlagen bekommen oder andere Unannehmlichkeiten erleben konnten. Aber das sind auch nur Gerüchte.
    – Stehen wirklich so unangenehme Dinge in den Mappen, sagte Martine erstaunt, ich dachte, die Freundin deiner Mutter gehört zu Bergers Bewunderinnen?
    Julie zuckte die Achseln.
    – In den letzten Jahren war es etwas schwierig, diesem Typ von Artikeln zu entgehen, wenn man sich für Berger interessiert, ich nehme an, daß Monique deshalb allmählich den Enthusiasmus für ihn verloren hat.
    Stéphane Berger wurde mit den Autogeschäften ziemlichschnell reich. Nach ein paar Jahren bezahlte er seinen Partner in der Firma aus, »Bergers Automobile« expandierte entlang der südfranzösischen Küste, und er wurde eine wohlbekannte Gestalt im Nachtleben der Riviera. Dank seiner Kontakte in der Film- und Fernsehwelt bekam er eine Nebenrolle in »Die Bullen von Saint-Tropez«. Berger erwies sich als ein unerwartet begabter Schauspieler, und »Inspektor Bruno« wurde so populär, daß die Rolle ständig erweitert wurde, bis die Serie 1970 eingestellt wurde. Anfang der siebziger Jahre verkaufte Berger seine Autofirma. Nach ein paar Jahren Playboyleben an der Riviera fing er an, Unternehmen in Schwierigkeiten aufzukaufen und sie nach unsanften Sanierungen weiterzuverkaufen.
    Er war zweimal verheiratet gewesen, das erste Mal mit Marie-Angèle Filippi, das zweite Mal mit Anne Saint-Simon. Monique hatte die Bilder von den beiden Hochzeiten getreulich eingeklebt. Auf dem ersten Hochzeitsfoto von 1965, wiedergegeben in einem Artikel, als Inspektor Bruno am populärsten war, war die Braut eine dunkelgelockte, etwas dickliche junge Frau in einem von Rüschen wallenden Kleid, glücklich lächelnd neben einem jungen Berger im Anzug mit Samtaufschlägen und Hemd mit Halskrause.
    – Er hat sich zu einem teureren Modell hochgetauscht, konstatierte Julie und blätterte zum zweiten Hochzeitsfoto.
    – Ja, in der Tat, stimmte Martine bei und betrachtete Anne Saint-Simons cremefarbenes Chanelkostüm, ihren stilvollen Hut und ihre Miene totaler sozialer Selbstsicherheit. Mit Frau Nummer zwei bekam Berger die Töchter Isabelle und Catherine, bevor sich das Paar 1982 nach vier Jahren Ehe scheiden ließ. Aber Berger schien jedenfalls den Kontakt mit den Mädchen aufrechterhalten zu haben. Eines der letzten Bilder im Album zeigte ihn zusammen mit seinenbeiden Töchtern bei einem Reitturnier in Fontainebleau. Das ältere Mädchen trug Reitkleidung und liebkoste stolz einen Pokal.
    – Und wie ist es mit seiner politischen Tätigkeit, es heißt ja, daß er politische Ambitionen hat? sagte Martine.
    – Ach was, die Politik, sagte Julie und blätterte in ihren Unterlagen, ich weiß nicht, ob da sehr viel dran ist. Er hat wohl politische Kontakte in Frankreich gepflegt, genau wie er es angeblich in Villette getan hat, um seine Geschäftsinteressen reibungslos durchzusetzen. Obwohl – eines: Er scheint in Flüchtlingsfragen engagiert zu sein, es gibt einen Artikel hier aus einer katholischen Zeitschrift, ich suche ihn raus für dich.
    Der Artikel, überschrieben »Der unbekannte Berger«, war von 1991 und füllte in der Mappe zwei ganze Seiten. In dem unmodern typographierten und trist layouteten Text erzählten drei Nonnen, die mit Flüchtlingen aus den Jugoslawienkriegen arbeiteten, andächtig davon, wie Stéphane Berger gekommen sei und sie gefragt habe, wie er ihnen helfen könne, und ihnen in aller Stille große Geldsummen geschenkt habe.
    – Ein Mann mit vielen Gesichtern, sagte Martine nachdenklich, langsam werde ich richtig neugierig, ihn leibhaftig kennenzulernen.
    Sie wählte die Nummer, die sie von Jean-Claude bekommen hatte, und sofort wurde abgehoben, mit einem einsilbigen und ungeduldigen »Ja?«. Sie erkannte die Stimme. Genauso hatte Inspektor Bruno geklungen, wenn er in der Folge von »Die Bullen von Saint-Tropez«, die sie an einem der letzten Abende gesehen hatte, das Telefon abhob.
    – Guten Morgen, Monsieur Berger, sagte sie, hier istMartine Poirot, Untersuchungsrichterin am Justizpalast in Villette. Ich muß Ihnen einige Fragen stellen, und der

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