Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
hergekommen, um über Kunst zu diskutieren, sagte Martine, sondern um über ernstere Dinge zu sprechen. Was haben Sie letzten Dienstag abend gemacht, Monsieur Berger?
– Wieso? fragte Berger.
– Ich möchte es gern wissen, sagte Martine, haben Sie vielleicht etwas dagegen, es mir zu erzählen?
Berger strich sich über die Haare. Er sah abwartend aus.
– Ich antworte nicht gern auf Fragen, deren Zweck ich nicht verstehe, aber natürlich können Sie erfahren, wo ich war. Ich habe in Hasselt einen Geschäftsfreund getroffen, wir haben zusammen zu Abend gegessen.
Hasselt, dachte Martine mit einem Zittern der Erregung, eine Stadt, die am Albertkanal liegt, wo die Dafne 3 am Abend vorbeigekommen war!
– Wie sind Sie nach Hasselt gekommen? fragte sie.
Berger sah verärgert aus.
– Ich bin geflogen, sagte er, meine ältere Tochter ist letzten Dienstag fünfzehn geworden, und ich war nach Paris gefahren, um sie zu einem kleinen Geburtstagslunch einzuladen.Das zog sich in die Länge, und ich mußte direkt nach Hasselt fliegen, um rechtzeitig hinzukommen, ich habe eine Chartergesellschaft, an die ich mich wende, wenn ich Privatflugzeuge brauche.
– Und wie sind Sie von Hasselt weggekommen?
– Mein Chauffeur kam und holte mich ab, er hatte mich am Morgen zum Flugzeug in Brüssel gefahren, und dann kam er nach Hasselt, als mein Treffen vorbei war, um mich hierherzufahren.
– Wie spät war es da?
– Das war gegen elf, würde ich denken, sagte Berger, aber jetzt, beste Madame Poirot, glaube ich nicht, daß ich weitere Fragen zu meinem Dienstag abend beantworten will, wenn Sie mir nicht erklären, warum Sie sie stellen.
– Wie Sie wünschen, sagte Martine, wir können das Thema wechseln. Wann haben Sie Fabien Lenormand zuletzt getroffen?
Sie beobachtete gespannt Berger, um seine Reaktion zu sehen. Er runzelte die Stirn, aber das war alles.
– Diesen naseweisen Journalisten, sagte er, ich habe ihn nie persönlich getroffen und werde es ja auch nie, ich habe in der Zeitung gesehen, daß er es war, der auf dem Gelände von Forvil tot aufgefunden wurde. Sagen Sie nicht, daß Sie glauben, daß ich damit etwas zu tun habe! Ich weiß natürlich, daß Sie gestern bei Berger Rebar waren und Fragen gestellt haben. Aber mir genügen Gerichte, um Journalisten, die ehrenrührige Artikel schreiben, auf die Finger zu sehen.
Martine wußte, daß Berger mehrere Prozesse gegen Zeitungen und Autoren geführt hatte, oft mit Erfolg.
– Meinen Sie, daß Fabien Lenormands Artikel zu denen gehörten, gegen die Sie vor Gericht gegangen sind? fragte sie.
– Ich habe darüber nachgedacht, sagte Berger, aber nein, ich habe es bis jetzt nicht getan. Jetzt hat er wohl gerade versucht, mehr Mist zu sammeln, um ihn nach mir zu werfen, aber ich zweifle daran, daß er es hätte publizieren können.
Martine dachte an den toten Körper des jungen Mannes in der Erzladung unter dem rieselnden Regen, sie dachte an Nathalie Bonnaires Tränen über den Cousin und hatte einen Augenblick eine heftige Abneigung gegen Stéphane Berger, wie er so in seinem sonnengelben Raum zwischen Bildern für mehrere Millionen Franc dastand. Was ja für eine Untersuchungsrichterin ein Dienstvergehen war.
– Aber jetzt ist er tot, sagte sie, und kann keinen Mist nach Ihnen werfen. Was denken Sie darüber?
Berger zuckte die Achseln, so daß sich die Muskeln unter dem weichen Kaschmir wölbten.
– Was soll ich Ihrer Meinung nach sagen, fragte er, daß ich mich freue? Ich freue mich nicht über seinen Tod, natürlich nicht, aber ich will nicht lügen und sagen, daß ich deprimiert bin. Menschen sterben, das Leben geht weiter, genauso wie Unternehmen untergehen und das Leben weitergeht. Dieser Junge schrieb in dem Nest, aus dem er kam, sentimentale Artikel über die Schließung der Fabrik von Vélo Éclairs, und so was kommt in Frankreich ja immer an, aber die Schließung war unvermeidlich. Da saßen Leute und schraubten in aller Ruhe Fahrräder zusammen, als ob wir in den fünfziger Jahre leben, da ging’s zu wie beim Weihnachtsbasteln! Sie sollten die neue Fabrik in Ozd sehen, modern, hochproduktiv, konkurrenzfähig. Und da gibt es Jobs, die in Osteuropa eher gebraucht werden als hier. Aber das interessiert Leute wie Lenormand ja nicht.
– Er wurde ermordet, sagte Martine, wer, glauben Sie, hat das getan?
– Das ist wohl Ihr Job, das rauszufinden, sagte Berger, aber sicher, ich habe eine Theorie, die kann ich anbieten. Lenormand hat versucht, um jeden
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