Die Günstlinge der Unterwelt - 5
was sie tun konnten.
»Was er getan hat, mußte er tun, sonst hättet ihr Lieben die Welt dem Hüter überlassen. Das war mir eine Hilfe. Doch jetzt mischt er sich in meine Angelegenheiten ein. Er ist jung und weiß nichts von seinen Fähigkeiten. Ich dagegen habe die letzten zwanzig Jahre damit zugebracht, mein Können zu vervollkommnen.«
Er schwenkte die Messerspitze vor seinem Gesicht. »Im vergangenen Jahr erst sind meine Augen geronnen – das Merkmal eines Traumwandlers. Erst jetzt steht mir der am meisten gefürchtete Name der uralten Welt zu. In der Sprache der Vorzeit ist ›Traumwandler‹ gleichbedeutend mit ›Waffe‹. Die Zauberer, die diese Waffe geschaffen haben, bedauern ihr Tun mittlerweile.«
Er leckte das Fett von seinem Messer und betrachtete die Schwestern. »Es ist ein Fehler, Waffen zu schmieden, die über einen eigenen Willen verfügen. Jetzt seid ihr meine Waffen. Ich werde den gleichen Fehler nicht begehen.
Meine Kraft gestattet mir, in die Gedanken eines jeden einzudringen, wenn er schläft. Auf jene, welche die Gabe nicht besitzen, habe ich nur begrenzten Einfluß, aber sie sind für mich ohnehin nur von geringem Nutzen. Doch bei denen mit der Gabe, wie euch sechs, kann ich alles tun, was ich will. Habe ich meinen Keil erst einmal in eurem Geist angesetzt, gehört er nicht mehr euch. Er gehört mir.
Die Magie der Traumwandler war kraftvoll, nur nicht sehr stabil. In den letzten dreitausend Jahren, seit die Barriere errichtet wurde, die uns hier eingesperrt hat, ist niemand mehr mit dieser Fähigkeit geboren worden. Jetzt jedoch hat die Welt wieder einen Traumwandler.«
Er schüttelte sich unter einem bedrohlich stillvergnügten Kichern. Die winzigen Zöpfe an seinen Mundwinkeln zitterten. »Und das bin ich.«
Fast hätte Ulicia ihn aufgefordert, er solle zur Sache kommen, hielt sich aber noch rechtzeitig zurück. Sie hatte nicht die geringste Lust, herauszufinden, was er tun würde, wenn er mit Sprechen fertig war. Alles was sie brauchte, war Zeit, um sich etwas zu überlegen. »Woher wißt Ihr das alles?«
Jagang riß einen Streifen scharf angebratenen Fetts vom Braten und knabberte daran herum, während er weitersprach. »In einer untergegangenen Stadt in meiner Heimat Altur’Rang entdeckte ich ein Archiv aus alter Zeit. Der Wert, den Bücher für einen Krieger wie mich haben, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Auch der Palast der Propheten besitzt Bücher von unermeßlichem Wert, vorausgesetzt, man weiß sie zu gebrauchen. Zu schade, daß der Prophet gestorben ist. Aber ich habe andere Zauberer.
Ein Überrest der Magie aus dem Krieg der Vorzeit, eine Art Schild, wurde von seinem Urheber an alle Nachfahren aus dem Haus Rahl weitergegeben, die mit der Gabe geboren wurden. Diese Bande schirmt den Verstand der Menschen ab, so daß ich nicht in ihn eindringen kann. Richard Rahl verfügt über diese Fähigkeit und hat begonnen, Gebrauch von ihr zu machen. Bevor er zuviel lernt, muß er ins Gebet genommen werden.
Zusammen mit seiner Verlobten.« Er hielt inne, hatte einen entrückten, nachdenklichen Ausdruck im Gesicht. »Die Mutter Konfessor hat mir einen kleinen Rückschlag versetzt, aber sie wird von meinen unwissenden Marionetten oben im Norden ins Gebet genommen werden. Diese Narren haben in ihrem Eifer die Sache etwas verkompliziert, dabei habe ich sie noch nicht einmal richtig an die Kandare genommen. Wenn ich es tue, werden sie nach meiner Pfeife tanzen. Ich habe große Mühe darauf verwendet, die Geschehnisse zu meinem Vorteil umzubiegen, damit ich Richard Rahl und die Mutter Konfessor in die Hand bekomme.«
Er riß eine Handvoll Fleisch aus dem gebratenen Spanferkel. »Seht ihr, er wurde als Kriegszauberer geboren, als erster seit dreitausend Jahren, aber das wißt ihr ja. Ein solcher Zauberer ist für mich eine Waffe von unschätzbarem Wert. Er kann Dinge tun, die niemand von euch tun kann, deshalb will ich ihn nicht töten. Ich will ihn beherrschen. Wenn er mir keinen Nutzen mehr bringt, dann muß er getötet werden.«
Jagang lutschte das Schweinefett von seinen Fingern. »Seht ihr, Kontrolle ist viel wichtiger als Töten. Ich hätte euch sechs töten können, aber was hätte ich dann von euch? Solange ihr unter meiner Herrschaft steht, seid ihr keine Bedrohung für mich, sondern auf ach so viele Weisen nützlich.«
Jagang drehte sein Handgelenk nach oben und zeigte mit dem Messer auf Merissa. »Ihr alle habt geschworen, euch an ihm zu rächen. Aber du, meine
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