Die Günstlinge der Unterwelt - 5
Liebe, hast geschworen, in seinem Blut zu baden. Vielleicht werde ich dir die Gelegenheit dazu geben.«
Merissas Gesicht erbleichte. »Wie … wie könnt Ihr das wissen? Das habe ich gesagt, als ich wach war.«
Er sah Panik in ihrem Gesicht und lachte stillvergnügt in sich hinein. »Wenn du willst, daß ich etwas nicht erfahre, meine Liebe, dann solltest du nicht davon träumen, was du im Wachzustand gesagt hast.«
Durch die Verbindung spürte Ulicia, daß Armina der Ohnmacht nahe war.
»Natürlich müßt ihr sechs ins Gebet genommen werden. Ihr müßt lernen, wer das ist, der euer Leben beherrscht.« Er zeigte mit dem Messer auf die stummen Sklaven hinter sich. »Ihr werdet ebenso folgsam werden wie diese Leute dort.«
Zum ersten Mal betrachtete Ulicia die halbbekleideten Menschen überall im Saal. Fast hätte sie laut gestöhnt. Die Frauen waren alle Schwestern. Schlimmer noch, die meisten waren ihre Schwestern der Finsternis. Sie verschaffte sich rasch einen Überblick: Nicht alle waren hier. Auch die Männer, meist junge Zauberer, die nach ihrer Ausbildung im Palast entlassen worden waren, gehörten zu denen, die einen Seeleneid auf den Hüter geschworen hatten.
»Einige sind Schwestern des Lichts. Sie sind sehr beflissen – aus Angst vor den grauenvollen Dingen, mit denen ich sie bestrafen würde, wenn sie mich verstimmen.« Mit Daumen und Zeigefinger strich Jagang über das dünne Kettchen zwischen den Ringen in seiner Nase und seinem Ohr. »Aber deine Schwestern der Finsternis gefallen mir am besten. Ich habe sie alle ins Gebet genommen, selbst die im Palast.« Ulicia kam sich vor, als würde sie den Boden unter den Füßen verlieren. »Ich habe im Palast der Propheten etwas zu erledigen. Etwas Wichtiges.«
Die Goldkettchen auf seiner Brust blitzten im Schein der Feuer auf, als er die Arme ausbreitete. »Sie sind alle recht gefügig.« Sein starrer Blick fiel auf die Menschen hinter ihm. »Nicht wahr, meine Lieben?«
Janet, eine Schwester des Lichts, küßte ihren Ringfinger, während ihr langsam Tränen über die Wangen liefen. Jagang lachte. Sein Ring blinkte im Schein der Feuer, als er mit einem dicken Finger auf sie zeigte.
»Siehst du das? Ich habe es ihr erlaubt. Es läßt ihr ein paar falsche Hoffnungen. Würde ich es verhindern, könnte es sein, daß sie sich umbringt. Denn sie hat nicht diese Todesangst wie jene, die sich dem Hüter verschworen haben. Nicht wahr, meine liebe Janet?«
»Ja, Exzellenz«, antwortete sie eingeschüchtert. »In diesem Leben gehört mein Körper Euch, aber wenn ich sterbe, gehört meine Seele dem Schöpfer.«
Jagang lachte, krank und heiser. Ulicia hatte es schon einmal gehört und wußte, daß sie bald den Grund dafür liefern würde.
»Siehst du? Das alles dulde ich, um meine Kontrolle aufrechtzuerhalten. Natürlich wird sie jetzt als Strafe eine Woche in den Zelten dienen müssen.« Sein trüb-funkelnder Blick ließ Janet zurückweichen. »Aber das wußtest du ja schon, bevor du es gesagt hast, nicht wahr, meine Liebe?«
Schwester Janets Stimme bebte. »Ja, Exzellenz.«
Jagangs milchiger Blick fiel wieder auf die sechs, die vor ihm standen. »Die Schwestern der Finsternis mag ich am liebsten, denn sie haben allen Grund, den Tod zu fürchten.« Er zerdrehte den Fasan in zwei Teile. Die Knochen brachen mit einem dumpfen Knacken. »Sie haben den Hüter, dem sie ihre Seelen versprochen haben, verraten. Wenn sie sterben, werden sie ihm nicht entgehen. Dann wird der Hüter sich an ihnen für ihr Versagen rächen.« Er lachte tief und hallend voller Hohn. »So wie er euch sechs auf alle Ewigkeit bekommen wird, wenn ihr mir so sehr mißfallt, daß ihr den Tod verdient.«
Ulicia schluckte. »Wir verstehen … Exzellenz.«
Jagangs alptraumhafter Blick ließ sie vergessen, Luft zu holen. »O nein, Ulicia, ich glaube nicht, daß ihr das wirklich tut. Aber das werdet ihr, wenn ihr eure Lektionen erhalten habt.«
Den alptraumhaften Blick auf Ulicia gerichtet, griff er unter den Tisch und zerrte eine hübsche Frau an ihrem blonden Haar hervor. Sie wand sich vor Schmerzen, als seine kräftige Hand sie in die Höhe riß. Sie war ebenso gekleidet wie die anderen. Durch den hauchdünnen Stoff hindurch konnte Ulicia ältere, gelbliche Prellungen erkennen, sowie frischere violette. Auf ihrer rechten Wange war ein blauer Fleck, und auf ihrem linken Unterkiefer befand sich eine riesengroße, ganz frische, blutunterlaufene Stelle mit einer Reihe von vier Schnittwunden, die
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