Die Günstlinge der Unterwelt - 5
D’Haraner, denen man den Auftrag gegeben hatte, in der eroberten Stadt zu patrouillieren, dazu gezwungen, Straßenräubern und Taschendieben ihre Macht zu demonstrieren.
Die D’Haraner, die Waffen gezogen und sichtlich bei schlechter Stimmung, beäugten die Kavalleriekolonne, als würden sie nach Anzeichen für eine Bedrohung Ausschau halten. Brogan fand es recht eigenartig, daß sie ihre Waffen nicht in der Scheide trugen. Eine vorsichtige Truppe, diese D’Haraner.
Was sie sahen, schien sie nicht zu beunruhigen, und so gingen sie im selben Tempo weiter. Brogan schmunzelte – unbedeutendere Männer als sie hätten einen Schritt zugelegt. Ihre Waffen, größtenteils Schwerter oder Streitäxte, waren weder verziert noch kunstvoll, und das allein verlieh ihnen ein um so eindrucksvolleres Aussehen. Es waren Waffen, die getragen wurden, weil sie sich als wirkungsvoll erwiesen hatten, und nicht, um damit anzugeben.
Obwohl zahlenmäßig gut um das Zwanzigfache unterlegen, betrachteten die Männer in dunklem Leder und Kettenhemden all das blankgeputzte Metall ohne großes Interesse: Glanz und Präzision stellten oft nichts anders als Eitelkeit zur Schau, und wenn sich in diesem Fall darin Brogans Disziplin widerspiegelte und seine tödliche Liebe zum Detail verriet, so wußten die D’Haraner dies vermutlich nicht. Wo er und seine Soldaten besser bekannt waren, genügte der Anblick ihrer karminroten Capes, um starke Männer erbleichen zu lassen, und das Funkeln ihrer blankgeputzten Rüstungen reichte, um einen Feind in die Flucht zu schlagen.
Als sie, von Nicobarese kommend, das Rang’Shada-Gebirge überquert hatten, war Brogan auf eine der Armeen der Imperialen Ordnung gestoßen, die aus Soldaten vieler Nationen, größtenteils jedoch D’Haranern, bestand. Der General der D’Haraner, Briggs, der seinen Rat aufmerksam und interessiert angenommen hatte, hatte ihn zutiefst beeindruckt. Und zwar so sehr, daß er einen Teil seiner Truppen bei ihm zurückgelassen hatte, um bei der Eroberung der Midlands zu helfen. Die Imperiale Ordnung war auf dem Weg in die heidnische Stadt Ebinissia, dem Sitz der Krone von Galea, gewesen, um sie zu unterwerfen. Wenn der Schöpfer ihnen wohlgesonnen war, dann hatten sie Erfolg gehabt.
Brogan hatte erfahren, daß die D’Haraner nicht viel von Magie hielten, und das hatte ihm gefallen. Daß sie Magie darüber hinaus fürchteten, empörte ihn. Magie war der Zutritt des Hüters in die Welt des Menschen. Den Schöpfer mußte man fürchten. Magie, die Hexenkunst des Hüters, mußte man vernichten. Bis zum Niederreißen der Grenze im vergangenen Frühjahr war D’Hara über Generationen von den Midlands abgeriegelt gewesen, D’Hara und sein Volk waren für Brogan zu großen Teilen noch immer etwas Unbekanntes, ein weites, neues Gebiet, das nach Erleuchtung und möglicherweise nach Läuterung verlangte.
Darken Rahl, der Führer D’Haras, hatte die Grenze zu Fall gebracht und dadurch seinen Truppen ermöglicht, die Midlands im Sturm zu erobern und unter anderem auch Aydindril einzunehmen. Hätte er sich mehr auf die Angelegenheiten der Menschen beschränkt, wäre es Rahl vielleicht gelungen, die gesamten Midlands in seine Gewalt zu bringen, bevor man dort Armeen gegen ihn aufstellen konnte. Doch er war mehr daran interessiert gewesen, Magie zu betreiben, und das hatte seinen Untergang zur Folge gehabt. Nach Darken Rahls Tod, nach seiner Ermordung durch einen Bewerber für den Thron, wie man Brogan erzählt hatte, hatten sich die D’Haranischen Truppen der Imperialen Ordnung und ihren Zielen angeschlossen.
Für die alte, sterbende Religion, genannt Magie, war kein Platz mehr in der Welt. Jetzt herrschte die Imperiale Ordnung, und der Ruhm des Schöpfers würde dem Menschen den Weg weisen. Tobias Brogans Gebete waren erhört worden. Jeden Tag dankte er dem Schöpfer, daß er ihn in diesen Zeiten leben ließ und er mittendrin dabeisein durfte. Er konnte sehen, wie die Blasphemie der Magie besiegt wurde, und er konnte die Rechtschaffenen in die letzte Schlacht führen. Hier wurde Geschichte gemacht, und er war ein Teil davon.
Tatsächlich: erst kürzlich war der Schöpfer Tobias im Traum erschienen und hatte ihm gesagt, wie sehr ihn seine Bemühungen erfreuten. Seinen Männern gegenüber verschwieg er dies, man hätte ihn für vermessen halten können. Durch den Schöpfer geehrt zu werden war Lohn genug. Natürlich hatte er Lunetta davon erzählt und ihr damit große Ehrfurcht
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