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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ein Videobild, nachdem plötzlich die Stoptaste gedrückt wurde. Der Kopf wandte sich ihr zu, doch das Schild der dunkelblauen Baseballmütze bedeckte das Gesicht, so daß nichts zu sehen war als der verkniffene, breite, angespannte Mund.
    Er trug ein Jeanshemd, auch das sah sie noch …
    Dann aber – mit beiden Fäusten riß er das Steuer nach links, der Stoß warf sie im Sitz zurück, der Golf machte einen Satz – in der aufschießenden Panik hatte Isa das Steuer verrissen und war gleichzeitig auf die Bremse getreten. Es gab ein schepperndes, helles Metallgeräusch. Ihr ausbrechender Wagen hatte zwei Regentonnen umgeworfen und prallte gegen einen Stapel Zementsäcke; ihr Oberkörper flog nach vorne, der Gurt schnitt in ihre Schulter.
    Mühsam richtete sie sich auf.
    Die Windschutzscheibe vor ihr hatte sich in ein tausendädriges graues Netz verwandelt.
    Sie atmete tief, um ihr rasendes Herz zu beruhigen. Dann stieg sie aus. Ihr Verstand streikte. Noch immer war sie zu benommen, um das, was geschehen war, in einen Zusammenhang zu bringen. Sie lehnte sich zurück, hob die Hand, um sich die Haare aus dem Gesicht zu streichen, fühlte warme Nässe und sah, daß die Hand blutig war.
    Zitternd öffnete sie die Tür, rutschte vom Sitz und zog sich hoch.
    Auch dieser Irre mußte die Herrschaft über seinen Wagen verloren haben, denn die Front des Mercedes hatte sich so tief unter einen Lastwagenanhänger gebohrt, daß das Heck weit hochstand.
    Es war kein Arbeiter zu sehen, auf der Baustelle schien Ruhe zu herrschen, doch von allen Seiten rannten nun Leute herbei.
    Schräg vor dem Mercedes stand ein großer, grauer Opel. Zwei Männer kletterten gerade heraus. In dem mit den grauen Haaren und der braunen Lederjacke glaubte sie Berling zu erkennen. – Berling! Was tat er hier …? Sie war einfach zu schwach, um zu überlegen, ließ sich auf den Sitz zurückfallen und senkte den Kopf. Sie dachte an Ladowsky. Seine Hände hatten genauso gezittert wie ihre …
    * * *
    Die Anklage im Ladowsky-Prozeß hatte für diesen Mittwoch nachmittag noch einen weiteren, letzten Zeugen benannt: Karl Ottner, siebenunddreißig Jahre alt, Handelsvertreter – der Mann, dessen blauer Fiesta der Angeklagte nach seiner Horrortat am Bachufer hatte anzünden wollen.
    Richard Saynfeldt zog einen kleinen Halbbogen um den Zeugenstand und reckte den Arm. Die schwarzen Falten seiner Toga fielen wirkungsvoll nach unten: »Also nochmals, Herr Ottner, der Wagen ist Ihnen in Lengbrunn entwendet worden? Ausgerechnet in Lengbrunn, dem Wohnort des Opfers.«
    »Ja. Das war am Donnerstag.«
    »Zwei Tage vor der Tat. – Und zu welchen Zeitpunkt haben Sie es festgestellt?«
    Ottner zerrte an seiner Krawatte, als wäre sie ihm zu eng. »So gegen zwölf Uhr dreißig. Ich hatte den Wagen am Ortsrand geparkt, da ist eine Bushalte. Wollte mal in Ruhe 'ne Zigarette rauchen und austreten. Außerdem hatte ich Hunger … Aber die nächste Kneipe hatte zu, und als ich dann zurückkam, war der Fiesta weg.«
    »Also am Rande des Orts, an einer Bushaltestelle?« Saynfeldt brachte die Frage mit bedeutungsschwerem Tonfall. »Vermutlich die Bushaltestelle, an der nur wenige Stunden später das Opfer auf den Bus wartete – ein junges Mädchen, das nichts anderes im Sinn hatte, als mit ihren Freunden und Freundinnen ein Aerobictraining zu absolvieren, und das dann nicht nur auf bestialische Weise geschändet, sondern auch noch ermordet wurde!«
    Die letzten Sätze waren laut in den Saal gerichtet und fanden sofort ihr Echo: »Aufhängen! Aufhängen!«
    »Ruhe!« schrie Martin. »Sonst lasse ich sofort den Saal räumen.« Doch erst als die Beamten im Saal sich in Bewegung setzten, wurde es wieder still.
    Ottners Vernehmung durch den Oberstaatsanwalt war beendet.
    Der Vorsitzende machte eine einladende Handbewegung: »Herr Verteidiger, haben Sie Fragen an den Zeugen?«
    »O ja.« Reuter erhob sich. »In diesem Fall schon.«
    Der Zeuge drehte ihm das breite, rote, schweißüberströmte Gesicht zu. Dabei führte er die Hand an den Hals und öffnete den Kragenknopf.
    »Herr Ottner, Sie haben also nach Ihrer Aussage Ihren Wagen in Lengbrunn zwei Tage vor der Tat durch Diebstahl verloren. Wie sind Sie dann nach Frankfurt zurückgekommen?«
    »Ich sagte doch schon – mit dem Zug. Von Bad Orb.«
    »Ah so, natürlich …«
    Reuter blätterte in seinem Notizblock. »Sie hatten also ab diesem Donnerstag keinen Wagen mehr zur Verfügung, zumindest keinen blauen Fiesta – ist das

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