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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in Mettenau hatten Isabella zugesetzt – was sie Ludwig Ladowsky prophezeit hatte, daß er nicht mehr schlafen könne, geschah ihr selbst. Sie hatte den Schock an den Anfang gesetzt, und das war notwendig gewesen, sie mußte ihn dazu zwingen, nicht länger auszuweichen, sondern sich der Tat zu stellen.
    War sie dabei zu hart vorgegangen? – In jedem anderen Fall wäre sie sich absolut sicher gewesen, richtig gehandelt zu haben – aber Ladowsky? Was macht man mit einem so zartbesaiteten Mörder, verdammt noch mal?
    Es war Donnerstag vormittag und eine der Pausen zwischen ihren Therapiestunden. Als das Telefon klingelte, erwartete sie Peter Aman am Apparat – doch es war Bennartz.
    »Es war ja noch nicht klar, ob du vielleicht heute kommst«, sagte er. »Aber es wäre mir lieb, wenn du den Termin morgen einhalten könntest.«
    »Natürlich«, sagte sie. »Ich halte meine Termine immer ein. – Warum?«
    Sie hatte ein ungutes Gefühl.
    »Ladowsky«, sagte er knapp. »Den mußt du schwer rangenommen haben. Von der Behandlungsstrategie her ist das auch sicher richtig so. Wahrscheinlich wäre ich genauso vorgegangen, aber …«
    »Aber was?«
    »Der schlottert nur noch im Garten herum. Oder liegt in seiner Bude und heult.«
    »Nun, Markus, etwas Ähnliches habe ich erwartet.«
    »Sicher … Das Unangenehme ist nur: Er verweigert jede Nahrung. Seit du weg bist, hat er nichts mehr gegessen. Und trinken will er auch nicht. Wenn das so weitergeht, müssen wir versuchen, ihn auf der Krankenstation zwangszuernähren.«
    »Es geht nicht so weiter, Markus. Morgen bin ich ja wieder draußen bei euch …«
    Ihre Stimme klang ruhig. Aber als sie nun den Hörer auflegte, sah sie die feuchten Flecken ihres Handabdrucks auf der schwarzen Plastikform …
    * * *
    Sie mußte an das strahlende Lächeln des jungen Mannes im Garten denken – denn was sie am Freitag morgen im blauen Bungalow erwartete, war ein bleiches, abgezehrtes Gesicht mit riesigen, dunklen, anklagenden Augen.
    Ludwig Ladowsky hockte auf einem Stuhl in der entferntesten Ecke des Raums und starrte ihr entgegen. Simulierte er? Drei Tage hatte er das Fasten durchgehalten – drei Tage, was sind das schon? Oder hatte er sich derartig in sein eigenes Drama hineingesteigert, daß die Beine nicht mehr wollten?
    Dies war die erste Überlegung, als sie den blauen Bungalow betrat; doch wie auf einer zweiten Spur lief eine andere, und sie hatte mit einer kühlen Analyse der Situation nichts zu tun: Mein Gott, muß das alles sein …? Und dann fühlte sie nichts anderes als Mitleid und den Wunsch, hinzulaufen, ihm zu helfen, ihre Hand auf seine Schulter zu legen.
    Paß auf, dreh nicht selber durch! befahl sie sich.
    Sieh doch klar: Was will er denn? Opfer sein will er. Selbst jetzt …
    Ihre Vernunft hatte wieder die Oberhand …
    Isabella hatte sich ausbedungen, allein in das Haus zu gehen – Markus Bennartz und ein jüngerer Mann namens Höfer, der Arzt der Anstalt, waren vor der Tür stehengeblieben.
    Das Licht floß durch das Fenster und malte Gitterstäbe auf den Fußboden. Er war nicht viel mehr als ein grauer Schatten in der Ecke …
    Auch sie bewegte sich nicht. Es war schwer, diesen Anblick zu ertragen, das völlig erstarrte, geisterblasse Gesicht, die dunklen Ringe unter den Augen.
    »Ludwig«, sagte sie.
    Und beinahe hätte sie denselben Fehler gemacht wie das letztemal. Sie hatte Mühe mit der jähen, fast unüberwindbaren Eingebung, einfach auf ihn zuzugehen, ihn an der Hand zu nehmen … Doch ihre Reaktion konnte jetzt nur eine sein: sachlich zu bleiben und kühl. »Was soll das?« sagte sie. »Was, Herrgott noch mal, denkst du dir eigentlich dabei?«
    Sie hörte keinen Ton. Auch nicht seinen Atem.
    »Was, verdammt noch mal, ist los mit dir, Ludwig?«
    Nun sprach er, aber sein Flüstern war nicht viel lauter als das Knistern von Papier: »Ich dachte, du weißt das …«
    »Was soll ich wissen?«
    »Du … du weißt doch alles …«
    Sie ging näher. Er stand völlig starr. Wenigstens heulte er diesmal nicht. Sie ging näher und konnte fühlen, wie bei jedem Schritt ihr Herz, ihr Körper schwerer wurde.
    »Was soll das bedeuten? Hungerstreik? Das findest du wohl toll, was? Aber ich finde es überhaupt nicht witzig nach allem, was wir das letztemal besprochen haben.«
    »Besprochen? … Du hast gesprochen.«
    Er kam aus seiner Ecke, schwankte, und sie fragte sich wieder, ob er simulierte. Drei Tage nichts gegessen? Na schön, Durst war schlimmer – aber es war

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