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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zum Sportplatz zu öffnen, und ging dem Arzt entgegen. Das Spiel hatte mit einem Schlag aufgehört, keine Schreie mehr, kein Ballgeräusch, nichts als Stille. Sie blickte hinüber, da standen sie alle und starrten sie an.
    Sollten sie. Aber sie ging doch etwas schneller, und da war Höfer schon. »Scheint alles okay … Ich lasse ihm noch etwas zum Essen schicken. Aber er hat den Tee getrunken und ein wenig von der Suppe gegessen. Und dann bekam er von mir ein paar unterstützende Spritzen. Seine Verfassung ist besser als ich dachte.« Er sah sie an: »Wie ist das, Sie wollen doch sicher noch mal rein zu ihm, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Gut, dann gehe ich mit Ihnen und schließe ab. Aber überstrapazieren Sie ihn nicht, im Moment ist er ja nun wirklich nicht gerade therapiefähig.«
    »Keine Sorge, Herr Höfer«, lächelte sie und empfand eine plötzliche Sympathie.
    Vom Sportplatz kam noch immer kein Ton. Höfer schüttelte den Kopf: »Was haben die bloß? Na, kommen Sie …« Und dann, im Gehen, sagte er: »Wissen Sie, dieser Ladowsky – es ist schon komisch, nicht wahr? Da hat der Kerl nun wirklich alles getan, was einem den Magen umdrehen kann – und doch, irgendwie wirkt er so zartbesaitet, irgendwie ist er ein verdammt netter Kerl.«
    Sie gab keine Antwort. Sie konnte ihm ja nicht sagen: Genau das ist mein Problem …
    »Bleib liegen, Ludwig«, sagte sie und drückte ihn auf das Bett zurück, aus dem er bei ihrem Eintreten hochgefahren war. »Wie fühlst du dich? Finde ich prima, daß du gegessen hast.«
    »Das hab' ich deinetwegen getan.«
    »Nun komm!«
    »Glaubst du nicht?« Er wollte wieder nach ihrer Hand greifen, doch sie entzog sie ihm.
    »Warum hast du dich derart aufgeführt, Ludwig?«
    »Ich habe an dich gedacht. Ich habe das erlebt, Isa …«
    »Was denn?«
    »Sie …« Sein Mund war schlaff, die Augen schlossen sich, und sie befürchtete, er würde wieder weinen, doch er bewegte nur den Kopf hin und her.
    »Sie … Sie hatte doch solche Schmerzen, nicht wahr?«
    »Evi?«
    »Ja.«
    »Und das fragst du? Du fragst, ob sie Schmerzen hatte?«
    Er riß die Lider auf, und die Augen schienen ihr unergründlicher denn je. »Die Schmerzen … und wie sie gebettelt hat … Ja, ich weiß, was du meinst, jetzt weiß ich es … Aber ich hab' es doch nicht …«
    »Jetzt fang nicht wieder an. – Du hast.«
    Er ließ den Kopf zurückfallen, und sie sah den Schweiß auf seiner Stirn.
    »Wie heißt das Wort?« hörte sie ihn. »Wenn man mit anderen mitfühlt?«
    »Empathie?«
    »Ja. Wenn man mit anderen mitfühlt … wenn ich jetzt mitfühlen will, was ich ihr angetan habe, wie soll ich … wie soll ich denn da weiterleben? Kannst du mir das sagen? Da muß ich doch Schluß machen …«
    »Das kannst du. – Aber du kannst auch weiterleben, und du wirst weiterleben, wenn du es auf dich nimmst … Und wenn du weiter daran denkst.«
    »Das wäre nicht auszuhalten …«
    »Nein, Ludwig, da sind wir schon wieder beim gleichen Punkt: Was du jetzt fühlst, ist kein Mitleid. Das ist nur eines: Mitleid mit dir selbst.«
    Er schob sich hoch und sah ihr nun direkt in die Augen. »Das ist nicht richtig. Da täuschst du dich, Isa, glaub mir doch … Das ist es nicht, das ist nicht wahr …«
    »Hoffen wir es, Ludwig. Wenn du es erreichst, dieses Mitfühlen, dann sind wir einen großen Schritt weiter.«
    »Ich fühle …«
    »Ja«, sagte sie, »mit einem Rotkehlchen, das von einer Katze umgebracht wird.«
    »O nein. Weißt du, ich hab' dir ein Gedicht gemacht …«
    »Ein Gedicht?«
    »Ja.« Er griff unter die Matratze seines Gefängnisbettes und zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier heraus. »Schreiben darf ich. Sie haben mir einen ganzen Block und Bleistifte gebracht. Und das ist für dich.«
    »Danke, Ludwig.« Sie spürte, wie es in ihr hochstieg, wie ihr Hals eng wurde unter diesen Augen, und beinahe wäre sie versucht gewesen, ihn zu streicheln, doch sie unterließ es.
    »Aber bitte, nicht jetzt lesen … Erst, wenn du zu Hause bist.«
    »Aber natürlich.« Sie legte ihm noch einmal die Hand auf die Schulter und erhob sich. Draußen hatte sie Schritte gehört.
    »Wann kommst du wieder?«
    »Bald, Ludwig. Am Montag.«
    »Aber das ist so lange«, seufzte er, »so lange …«
    »Es sind hundertzwanzig Quadratmeter, Isabella … So eine alte Gründervilla in der Nähe des Grüneburg-Parks. Die Wohnungen haben sie aufgeteilt, sind aber immer noch ganz hübsch groß. Der Living zum Beispiel … fünfundfünfzig Quadratmeter,

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