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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hübsch und ein Schnellredner mit Überzeugungskraft. Patrick konnte Heidegger oder Hegel noch im Kopfstand zitieren, studierte mit ihr Psychologie, war Sohn eines angesehenen Göttinger Psychiaters und hielt sich überdies für ein Genie. – Doch im Grunde war er nichts als ein krankhafter Narziß.
    Die muñeca hatte Isa nicht gewarnt. Und so heiratete sie Patrick.
    »Muß die eigentlich sein?« Gleich nach dem Umzug in ihre neue, prächtige gemeinsame Wohnung fragte er es. »Dieses Luderding schaut mich immer so komisch an. Ich kann machen, was ich will, die guckt. Ich hab' das Gefühl, die verhext mich.«
    Das mochte sein. Die Puppe wanderte in Isas alten Koffer – und nach zwei Jahren war die Ehe mit Patrick geschieden.
    Isabella trug sie zum Schreibtisch und setzte sie neben den Karteikasten, in dem sie die Informationen für das Gutachten im Ladowsky-Prozeß gespeichert hatte. Sie fühlte sich beides: Todmüde und aufs höchste überreizt. Unruhig suchte sie die Unterlagen über die beiden Schöffinnen heraus. Ihre Stimmen besaßen das gleiche Gewicht wie die Stimmen der Berufsrichter. Dabei fiel ihr Blick auf die Anfangssätze eines Artikels, den sie vor einiger Zeit geschrieben hatte:
    DAS BÖSE, DAS UNS ZUGEFÜGT WIRD, KANN MAN ERTRAGEN. DAS EINZIG WAHRE PROBLEM, DEM WIR UNS IM LEBEN ZU STELLEN HABEN, DAS IST, MIT UNSERER EINSAMKEIT FERTIG ZU WERDEN …
    Es war ein Satz von Ernst Hauschild. Sie zitierte ihn oft genug ihren Klienten. Er hatte noch eine Fortsetzung: »Wenn die Einsamkeit erwacht, erschrecken wir, und doch hat sie ein Gutes: Sie ist die Schwester der Freiheit und zwingt uns, darüber nachzudenken, was wir bei unserer Lebensgestaltung richtig und was wir falsch machen.«
    Die Einsamkeit? Sie sollte selbst mit jemand reden … Doch mit wem? Sie stand auf, um die Jalousie wieder herunterzulassen. Aus der Tiefe der Straße funkelte ein Blaulicht zu ihr hoch. Sie ging zum Telefon. Peter Aman hatte sie ohnehin für verrückt erklärt und angekündigt, er wolle mit der ganzen Geschichte, die sie sich da aufgeladen habe, nichts zu tun haben. Sie zögerte – und wählte Ernst Hauschilds Nummer … Was sie hörte, war nichts als das Freizeichen und das sich langsam wieder entfernende Motorengeräusch des Streifenwagens, der an ihrem Haus vorbeigeglitten war …
    Es war allein den Schlaftablette zu verdanken, daß Isa einschlief, doch bald verfolgte sie ein Traum: Sie ging durch einen weißfunkelnden, froststarrenden Wald, die Sohlen ihrer Schuhe knirschten auf der vereisten Schneedecke, sie ging und ging, um plötzlich zu verharren: An einem der weißbestäubten Kiefernstämme lehnte ein Mensch. Er blutete aus einer tiefen Wunde, und das Rot seines Blutes bildete einen schreienden Gegensatz zu all dem stillen Weiß. Zunächst wagte sie nicht, sich zu nähern, doch als sie heran war, erkannte sie Ladowsky. Er sagte keinen Ton. Er sah sie nur an, aus diesen tiefen, blauen, flehenden Augen …
    »Mein Gott, Ludwig, was ist?«
    Sie erhielt keine Antwort.
    Sie versuchte, sich seinen Arm über die Schulter zu legen, doch der Arm fiel wieder herab, und so hob sie ihn am Ende hoch, was gar nicht schwierig war, denn er hatte das Gewicht eines Kindes.
    Ein Arzt, dachte sie, wo ist der nächste Arzt …? Keuchend, den Kreuz-Mörder auf den Armen, lief sie zum Waldrand, zur Straße, er aber starrte sie unablässig weiter an, und sie spürte und erkannte, wie er immer leichter und kleiner und kleiner wurde, bis er nur noch die Größe einer Puppe hatte.
    »Helft doch … helft!«
    Sie erwachte an ihrem eigenen Schrei.
    Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte 4 Uhr 20. Sie bewegte den Kopf, um die Benommenheit abzuschütteln, stand schließlich auf, ging zum Fenster und zog die Jalousien halb hoch.
    Unten funkelte Blaulicht …
    Reuter würde sie abholen lassen, hatte er ihr versprochen, nicht in seinem Prunkschiff, nein, in einem von seinem Assistenten gesteuerten unauffälligen ›Polo‹. Sie würden das Landgericht auch nicht durch den Haupteingang betreten, das war nicht nur zu auffällig, sondern auch gefährlich. Die Polizei hatte ihnen daher einen Lieferanteneingang für die Kantine an der Westseite angewiesen. Sie dachten an alles. Mußten sie wohl …
    Manche der Demonstrantenbusse der ›Liga gegen Gewalt‹ trafen bereits im Morgengrauen in der City ein. Darunter auch zwei schwere Mercedes-Busse aus Oldenburg, wo vor kurzer Zeit Rolf Diesterweg wegen Mordes an einem unschuldigen Kind zu lebenslänglicher Haft

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