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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ohne Zweifel auch für immer der lieblichen Freuden berauben, welche das kleine Haus in der Rue Trouvevache mir noch am Morgen versprochen. Was aber sollte ich tun? Wie sollte ich in dieser mißlichen Lage ohne Geld, ohne daß Samson unseren Säckel öffnete, Abhilfe schaffen?
    Indem mir diese meine widrige und betrübliche Lage derart im Kopfe herumging, trat langsamen Schrittes, nur mit Kniehosen und Hemd bekleidet, was heißen will: ohne Wams, ein Edelmann auf das Spielfeld, welcher mittleren Alters war, hochgewachsen, doch schlank und kräftig, die Haut von der Sonne gebräunt, in einem kantigen Gesicht graue Augen unter buschigen Brauen, das dichte Haar nur leicht ergraut, das Haupt erhoben und trotz seines langsamen Ganges in den Knien federnd. Er schritt auf die Königinmutter zu und erwies ihr eine tiefe Reverenz, welche sie mit einem Kopfnicken und huldreichem Lächeln erwiderte, was mich vermuten ließ, daß dieser Edelmann am Hofe wohlangesehen sei, welche Vermutung bestätigt ward durch das Händeklatschen der Höflinge und Damen, als der Ankömmling sie nun ihrerseits mit einer weitausholenden und anmutigen Gebärde grüßte.
    »Man sieht Monsieur de Nançay«, so sprach der Anschreiber zu unserem Mentor, »seinen Sturz vom Pferde nicht mehr an!«
    »Ho ho!« entgegnete Rabastens, »der Hauptmann ist von robuster Leibesbeschaffenheit! Ihn umzuwerfen, brauchte es schon eine Kanonenkugel!«
    Er ward unterbrochen von lauten Beifallsrufen, welche sich auf den Galerien erhoben, gefolgt von starkem Händeklatschen.Und da gewahrte ich einen zweiten Edelmann, auch er nur in Hemd und Kniehose, welcher das Spielfeld betrat – jedoch im Laufschritt – und nun lief, sich vor der Königinmutter zu verbeugen, worauf er sich ebenso geschwinden Schrittes zu Nançay begab, diesen mit kurzer Umarmung und Schulterklopfen zu begrüßen. Um sich alsdann in das andere Spielfeld zu begeben, tat er einen Sprung über das mit roten Fransen besetzte Seil, jedoch seltsamerweise mit dem Kopf voran, als spränge er in einen Fluß, kam mit den Händen und dem Nacken auf dem Boden auf und vollführte mit unglaublicher Geschicklichkeit eine vollständige Umdrehung seines Leibes, wonach er wieder auf seinen Füßen stand, welches Kunststück von den Anwesenden heftig beklatscht ward.
    »Ei!« sprach ich zu Rabastens, »seht diesen kunstfertigen Springer! Wer ist dieser Edelmann?«
    »Das ist doch der König!« sprach Rabastens gedämpft.
    »Was!?« entgegnete ich, »habe ich recht gehört? Der König?«
    »Der König in Person.«
    Was mich in höchste Verwunderung versetzte, und man kann sich denken, daß ich nur noch Augen für den Souverän hatte, indes der Ballmeister auf ihn zuschritt, gefolgt von zwei Gehilfen, deren einer die Schläger und der andere einen Korb mit den Spielbällen trug.
    Karl IX. erschien mir recht groß von Wuchs und wohlgestalt, jedoch ziemlich mager und von leicht gebeugter Haltung, das Auge mißtrauisch, der Ausdruck des Gesichtes wenig selbstsicher, ja fast beunruhigt, im übrigen von ungesundem Teint, so behende und kraftvoll er sonst wirkte. Auch verrieten seine Gebärden und seine Aufführung neben dem Wunsche, Bewunderung hervorzurufen, gleichzeitig eine Art kindische Angst, daß ihm selbiges nicht hinreichend gelänge, und er hatte nichts von der Bestimmtheit und Selbstsicherheit eines Mannes von zweiundzwanzig Jahren, dessen Macht, so er nur wollte, schier grenzenlos wäre.
    Sein Umgang mit dem Ballmeister deuchte mich gleichermaßen zu vertraulich und zu barsch, indem er diesem bald ein gar freundliches, bald ein finsteres Gesicht zeigte. Unter den Schlägern, welche man ihm zur Auswahl bot, befanden sich ein ovaler und ein viereckiger, kreuzweise mit Schnur bespannt,sowie ein mit Pergament bezogener von runder Form. Wie ich an des Ballmeisters Mienenspiel ersehen konnte, schien er diesen letzteren dem König anzuempfehlen, was bewirkte, daß der ihn sogleich mit rotem Gesicht ablehnte, als erachte er diese Empfehlung für ungehörig. Worauf seine Wahl zwischen dem ovalen und dem viereckigen schnurbespannten Schläger zu schwanken schien, welchselbige er nacheinander in seine Rechte nahm, ohne sich indes entscheiden zu können. Da dieses Zögern kein Ende zu finden drohte, riet ihm der Ballmeister ohne die geringste Befangenheit wiederum zu dem pergamentenen, welchen der König diesmal annahm, jedoch – wie es schien – nur widerwillig und ebenso wenig von dessen Vorzügen überzeugt, wie er sich

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