Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
sich in Eurer Begleitung befinden, sollen sie hier willkommen sein. Doch sie mögen sich nicht zu weit vorn zeigen, sondern sich im Hintergrund halten, da diese Galerie dem Aufzeichnen der Punkte vorbehalten.«
    »So sei es«, entgegnete Rabastens.
    Worauf wir unsererseits dem Markierer unsere Reverenz erwiesen, welcher seinen großen Hut (der ebenso viele Federn aufwies wie der Schwanz eines Hahnes) gar höflich vor uns zog, wenn auch nicht ganz so tief und feierlich wie vor dem Sergeanten.
    Ich indes hatte nur Augen für die großen Galerien, denn nie zuvor hatte ich eine Versammlung gesehen, reicher ausstaffiert mit Seide, Brokat, Perlen und Edelsteinen und so farbenprächtig – alldieweil die Höflinge ebenso wie die Damen eine Kleidung trugen, an der kein Ärmel und kein Strumpf dem anderen in seiner Farbe glich –, daß es einen anmutete wie ein Beet mit tausend Blumen, welche in den tausend Farben der Natur prangten.
    Doch ward ich bald abgelenkt von diesem heiteren und galanten Schauspiel durch etliche Bewegung und Unruhe auf den Galerien, verursacht durch die Ankunft der Königinmutter, welche ich an ihrer schwarzen Kleidung als auch daran erkannte, daß ihr ein Schwarm Hofdamen von atemberaubender Schönheit folgte, welchselbige Hofdamen aus dieser Ursache berühmt waren im ganzen Königreiche und in ihrer Kleiderpracht wie bunte Teile eines Regenbogens um die Medici herumschwebten.
    Die Königinmutter nahm in der Mitte der Galerie unter einem mit den königlichen Wappenlilien gezierten Baldachin Platz, welchselben ich allein dem Könige vorbehalten gewähnt. Doch daß sie ihn so ohne weiteres mit Beschlag belegte, verwunderte mich nur wenig, hatte doch d’Argence in seinen Briefen an meinen Vater berichtet, daß beim Einzug Karls IX. in die Stadt Metz vor drei Jahren die Medici verlangt habe, das Stadttor vor ihrem Sohn, dem König – Ihr habet recht vernommen: vor dem König – zu durchschreiten, und noch dazu mit ihrem eigenen Gefolge von Hofdamen und Offizieren. Oh, gewiß! die Florentinerin hatte Grund genug, sich für die Demütigungen und Kränkungen zu rächen, welche sie sowohl am Hofe Franz’ I. zu erleiden hatte als auch unter der Herrschaft ihres Gemahls, Heinrichs II., als Diane de Poitiers den Ton angab und sie nicht einmal im ehelichen Bett die Erste war. Seit jener Zeit ward sie nur noch mit höchst schimpflichen Beinamen belegt, »Händlerin« nannten sie die Höflinge des Louvre bei ihrer Ankunft aus Florenz. Und die Hugenotten hießen sie »Jesabel« seit der Bayonner Zusammenkunft, wo sie Herzog Alba einen Schacher mit französischem Blute angetragen und versucht hatte, eine Heirat mit dem spanischen Königshause gegen die Niedermetzelung der Protestanten zu erkaufen.
    Ich sah sie nur von oben und von der Seite, außer wenn sie den Kopf nach rechts wendete, was sie gar oft tat, denn ihre großen, weit geöffneten Augen verfolgten höchst neugierig alles, was um sie geschah. Mir schien sie noch kleiner und dicker, als man erzählte, die Wangen rund und aufgequollen, die Lippe hängend, in ihren Bewegungen jedoch nicht träge und behäbig, sondern im Gegenteil munter und lebendig, die Augen indes sorgenvoll, von schweren Lidern überdeckt, welche ihrem Ausdruck etwas Krötenhaftes verliehen. Von Pierre de l’Etoile wußte ich, daß sie zur Zeit größte Befürchtungen hegte, da Coligny beim König ein geneigtes Ohr fand und diesen zum Krieg in Flandern drängte: sie befürchtete, daß diese Gunst unseres Führers eines Tages die große Macht, welche sie im Staate besaß, bedrohen und sie dann in die Verbannung treiben könnte.
    Ich weiß nicht, wie es den prächtigen Hofdamen gelungen war, sich mit ihren weiten Reifröcken hinter der Königinmutterauf die überfüllte Galerie zu drängen, doch hätte es mich nicht verdrossen, mich inmitten dieses Gedränges, umgeben vom Rascheln der Unterkleider, zu befinden, und es überfielen mich gar heftige Träumereien – eine so große Macht übt die Schönheit des Weibes über uns und unsere Gedanken aus, ohne daß wir dessen recht gewahr sind. Indes kam mir unversehens wieder mein unglückseliges Wams in den Sinn, welches nicht nur nicht dem herrschenden Zeitgeschmack entsprach, sondern auch noch die Stirn besaß, auf seiner Vorderseite unverhohlen eine geflickte Stelle zur Schau zu tragen, und ich empfand einen gar großen Kummer: dies Kleidungsstück brächte mir in so galanter Gesellschaft nur tiefste Verachtung ein und würde mich ganz

Weitere Kostenlose Bücher