Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
aufgetaut und ich auch bemerkte, daß er weder über die Ursache des unseretwegen entstandenen Volksauflaufes noch betreffs meines lieben Samson irgendwelche Fragen stellte (obgleich er doch bei genauerem Hinsehen gewahr werden mußte, daß dieser mitnichten verwirrten Verstandes war), fühlte ich mein Vertrauen zu ihm wachsen und berichtete ihm, daß ich Herrn de Nançay in der Rue des Sablons besuchen wolle und aus welcher Ursach.
»Ho!« sprach Rabastens, »dort werdet Ihr ihn nicht antreffen. Er hält sich nicht in seinem Hause auf, denn er spielet Paume-Ball im Louvre.«
»Im Louvre?« fragte ich. »Also gibt es ein Ballhaus im Louvre?«
»Sogar deren zwei«, erwiderte Rabastens, »welche jedoch nicht darinnen gelegen, sondern außen an die Schloßmauer angebaut und höchst bequem zur Rechten und zur Linken des Eingangsportales in der Rue d’Hostriche angeordnet sind. Der Hauptmann, welcher trotz seines Alters noch immer zu den besten Spielern des Hofes zählt, bevorzugt das linke, da dort der Boden ebener, das Licht besser und die vom dortigen Ballmeister gefertigten Spielbälle viel besser springen. Es wird das
Ballhaus zu den fünf Jungfern geheißen
«, fuhr Rabastens lächelnd fort, »denn der Ballmeister besitzet fünf Töchter, welche auf einen Ehemann warten.«
»Und werden sie einen bekommen?«
»Gewißlich. Der Ballmeister ist überaus vermögend, da der König bei ihm spielt.«
»Der König spielt Paume-Ball?«
»Mit Leidenschaft«, erwiderte Rabastens.
Und dieses Wort paßte trefflich zu Karl IX., wie ich bald gewahr werden sollte, denn man konnte seinen Fuß nicht in das Louvre-Schloß setzen, ohne von überallher zu hören, mit welcher Leidenschaft der König Trompete blies, den Hammer in seiner Schmiede schwang, mit der Arkebuse schoß oder auch zur Jagd ging, wobei er es sich nicht nehmen ließ, abzusitzen, um das gehetzte Tier eigenhändig mit dem Jagdmesser zu töten und aufzubrechen, denn er liebte den Anblick des hervorschießenden Blutes und des rauchenden Gedärms.
Rabastens erbot sich mit großer Höflichkeit, mich zum
Ballhaus zu den fünf Jungfern
, wo sich Monsieur de Nançay befand, zu führen, da er selbst sich wegen seiner Fechtübungen zum Louvre begeben müsse. Nachdem wir wieder die Rue de la Ferronnerie erreicht, gingen wir diese bis zur Grand’ Rue Saint-Honoré, welche das Beiwort »groß« kaum verdient, obgleich man dort schöne Adelspaläste bewundern kann.
Da die Namen der Straßen zu unserer Linken, in Augenhöhe in die Häuserwände eingegraben, durch das Wirken des Zahnes der Zeit fast unleserlich geworden waren, hatte Rabastens die Freundlichkeit, uns diese zu nennen, damit wir den Weg zurück finden möchten, ohne irgendeinen unverschämten Guillaume danach zu fragen. So kamen wir an der Rue Tirechappe vorbei, alsdann an der Rue de Bresse und der Rue des Poulies, wonach wir linker Hand in die Rue de l’Hostriche einbogen, welche die berühmteste in ganz Paris ist, denn sie führet geradewegs zum Louvre.
»Ich nenne sie Rue de l’Hostriche«, sprach Rabastens, »weil mein Vater sie so genannt. Andere Pariser jedoch heißen sie Rue de l’Autruche und wieder andere Rue de l’Autriche. Und es ist nicht herauszufinden, wer recht und wer unrecht hat, denn der in die Mauer eingegrabene Name ist völlig unkenntlich.«
»Aber«, fragte ich, »gibt es denn keinen Plan der Stadt, worauf der wahre Name verzeichnet?«
»Ich habe gehört, daß es einen geben soll«, erwiderte Rabastens,»obgleich ihn nur wenige Leute gesehen haben, und diese behaupten ganz nachdrücklich, er wiese nicht wenige Irrtümer auf, sowohl bezüglich des Verlaufes als auch der Benennung der Straßen.«
Ho ho! dachte ich, welch seltsame, schlecht geordnete Stadt, worinnen alles so fragwürdig ist: die Beleuchtung, die öffentliche Sauberkeit, die Sicherheit der Bürger und Mitwohner bis hin zu den Namen der Straßen! Doch hielt ich meine Zunge im Zaum, so sehr erfüllte mich der Anblick des Louvre, welchem wir uns immer mehr näherten, mit jener klein und stumm machenden Furcht, die der erhabene Palast eines großen Königs, Sinnbild seiner Macht, den Untertanen einflößen soll. Und obgleich ich von meiner Gemütsbeschaffenheit nicht zu solch unterwürfigen Empfindungen neigte, so fühlte ich mich unwillkürlich klein und unbedeutend angesichts der mich umgebenden riesigen Stadt und dem über alle Maßen beeindruckenden Bauwerk, von welchem die Herrschaft über das Königreich
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