Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
welcher mein Herz rührte, wirklich nur mein Herz allein. Welch seltsamesWesen ist doch der Mensch! Wie zwiespältig ist er in allen Lebenslagen, von seinem Leib hierhin gezogen und von der Seele dorthin!
Doch um dir, lieber Leser, nichts zu verhehlen (wie es mein kühner Vorsatz beim Niederschreiben dieser Erinnerungen ist) – ich fand auf meiner Lagerstatt keine rechte Ruhe nach diesen zwei Begegnungen und fühlte mich zwischen Babeau und Babette wie ein Spielball, der endlos hin und her geschlagen wird, um so mehr, da eines Frauenzimmers Weigerung, so sie mit Freundlichkeit erfolgt, mich entwaffnet, aber zugleich mit Trauer erfüllt, hinterläßt sie doch in mir die schmerzliche Ahnung von all der Holdseligkeit, die sie mir erwiesen hätte, so sie mein Begehr nicht abgeschlagen.
Indes mir also solche Gedanken im Sinn umhergingen und ich noch dazu voller Zweifel war, ob nicht Madame des Tourelles den folgenden Tag auf den beleidigenden Anblick meines geflickten Wamses hin mich ebenso abblitzen ließe (in welchem Falle ich zu allem Überfluß meine Behaarung umsonst geopfert hätte), klopfte es an meiner Tür, und die Baderin trat ein, den Kopf hoch erhoben wegen ihres überquellenden Busens, die Augen blitzend hinter ihren Lidschlitzen.
»Mein edeler Herr«, sprach mit spitzer Stimme dieses Riesenweib, welches mir um so gewaltiger erschien, da es mich, der ich ja lag, in seiner ganzen Leibesgröße überragte, »begeh ret Ihr einen Imbiß?«
»Ja«, antwortete ich, »etwas Braten und eine Flasche Wein.«
»Wir haben heute nichts Gebratenes. Wären Euch zwei Eier mit einem Stück Schinken recht?«
»Ei gewiß.«
Und obwohl doch alles gesagt war, ging sie nicht aus der Kammer, sondern blieb neben meinem Lager stehen, indes ihr Schmerbauch und ihre Brüste mich überragten wie der Fels das Tal.
»Monsieur«, hub sie nach einigem Schweigen an, »begehret Ihr Gesellschaft für die Nacht?«
»Gesellschaft? Wozu?« sprach ich überrascht und setzte mich in meinem Erstaunen auf.
»Ihr wißt es sehr wohl selber.«
Welche Worte meinen Verdacht weckten. Ha! dachte ich, Babeau und Babette, ihr habt geschwatzt! Und wer weiß, welcheRolle eurer lauteren und standhaften Tugend hier zugedacht ist? Spielt ihr unwissentlich die Lockvögelchen und reizt in eurer Arglosigkeit die Begierden der Badgäste an, welche dann zu höchstem Nutz und Frommen der Baderin von anderen gestillt werden?
»Gevatterin«, sprach ich und zog mich – allerdings nur halb – in meine Festungsmauern zurück, »als ein Arzt bin ich käuflicher Liebe nur wenig zugetan.«
»Hoho, Monsieur!« erwiderte die Baderin in gespielter Entrüstung, »was höre ich aus Euerm Munde? Pfui! Wir sind doch hier in keinem Hurenhaus, sondern in den ältesten und bekanntesten Badestuben zu Paris! Hier werden keine Huren oder Lustdirnen feilgeboten!«
»Gevatterin«, lenkte ich ein, »meine Worte sollten keine Beleidigung sein.«
»Nun«, sprach da die Badmeisterin würdevoll, »dann will ich sie auch nicht als solche ansehen. Die Gesellschaft, von der ich sprach, ist die eines ehrsamen Frauenzimmers, welche des Tags ihrer Arbeit und Hantierung nachgeht und des Nachts mit ihrer Gegenwart die Ruhe der Edelleute, welche ich ihr anempfehle, verschönet.«
»Gevatterin«, entgegnete ich, »wie meisterlich gesprochen! Und was würde mich eine solche Verschönerung kosten?«
»Drei Sols für das Mädchen, drei für mich.«
»Das scheint mir wahrlich gerecht geteilt«, sprach ich mit verstecktem Spott. »Doch sag, wie ist sie, das ehrsame Frauenzimmer?«
»Hübsch, dunkelhaarig, jugendfrisch. Die äußeren Reize nicht sehr üppig, doch dafür immer rege.«
»Kann ich sie sehen, Gevatterin, ehe ich topp sage?«
»Gewißlich. Ich verkaufe die Katze nicht im Sack.«
Doch keine Katze – ob im Sack oder nicht – hatte je die Haare mehr gesträubt, war mißtrauischer gegen jede Falle als ich, indes ich also wartete; denn ich besorgte, man möchte mir eine gewöhnliche Straßendirne als ehrliches Frauenzimmer verkleidet vorsetzen. Im übrigen stand mir in meiner Müdigkeit und meinem Überdrusse nach diesem langen Tage, welcher mir nur Unbill und Enttäuschung gebracht, der Sinn mehr nach Essen und Schlafen denn nach Schäkern und mutwilligem Treiben.
Schließlich klopfte es an der Kammertür, und zuerst bewegte sich jener Berg von Fett herein, welcher in seiner Höhe und Breite zunächst diejenige, welche zu mir gebracht ward, meinen Blicken entzog. Wie jedoch die
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