Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
den Sinn kam, hatte sich die Tür schon hinter ihr geschlossen.
In meinem Geist stellte ich mir die Schererin als ein altes Weib vor, häßlich, verhutzelt und sauertöpfisch. Doch wie angenehm war ich überrascht, da ich ein ganz junges, blondesFrauenzimmerchen mit dem Scherzeug in der Hand mein Kämmerlein betreten sah, welches mir freundlich lächelnd sagte, sie nenne sich Babette.
»Wie!« rief ich aus, »Babette nach Babeau? Wie kommt solches? Hat man es mit Absicht so eingerichtet?«
»Keineswegs«, erwiderte sie, »das ist mein wahrer Name, und der von Babeau ist es auch. Und obgleich Babeau hübsch klingt, finde ich doch Babette schöner.«
Worauf sie lachte, denn sie war von höchst vergnüglicher Sinnesart, wie ich bemerkte: sie schwatzte und erlustigte sich unaufhörlich, indes sie ihre Verrichtung tat und meine Wiese mähte, erstlich für das Gröbste eine Schere benützend und sodann ein recht scharfes Rasiermesser, welches meine Haut kahl und glatt schor wie die Wange eines Domherrn. Nicht daß mir diese Schur so angenehm gewesen wäre wie das Waschen, doch wenn ich mich ihrer schon unterziehen mußte, um der Baronin zu gefallen, ließ ich es lieber von der Hand dieser Hübschen geschehen, welchselbige, als sie ihre scharfe Klinge um mein allermännlichstes Schmuckstück führen mußte, dieses ohne Scham noch Scheu mit ganzer Hand ergriff, mich im Zweifel lassend, ob sie es in versteckter buhlerischer Absicht tat oder aus reiner Arglosigkeit in Ausübung ihres Gewerbes. Da indes ihr Griff, welcher Sanftheit und Festigkeit miteinander verband, nicht ohne erhebende Wirkung blieb, sprach sie im Scherz:
»Monsieur, wenn dies so weitergeht, kann ich ihn wohl loslassen. Er wird sich auch ohne meine Hilfe aufrecht halten.«
»Hüte dich, Babette«, entgegnete ich. »Ohne Stütze könnte er umfallen und auf die Schneide deines Messers treffen.«
Worauf sie wiederum lachte, doch ohne die Bewegung des Messers zu verlangsamen, so flink war sie und so bewundernswert ihre Geschicklichkeit. Da indes dies Gefilde alsbald wieder so glatt war wie in meiner zartesten Jugend, blieb es nicht aus, daß sie ihren Griff löste, ihr Werk an anderer Stelle fortzusetzen, und so sprach ich, mehr betrübt denn scherzend, zu ihr:
»Ha, Babette! Du hättest nicht erst beginnen sollen, was du nicht beenden willst.«
»Beenden?« entgegnete sie, unversehens ganz ernst geworden. »Monsieur, begehret Ihr etwa mehr, als Euch gegeben werden kann?«
»Und warum, zum Teufel«, fragte ich ärgerlich, »soll es nicht weitergehen?«
»Weil ich eine Jungfer bin«, antwortete sie, mit den Augen zwinkernd.
»Nun, ich sehe wohl, daß du eine Jungfer bist«, sprach ich nicht ohne Verdruß.
»Monsieur, Ihr versteht mich nicht recht. Ich bin unberührt und will es bleiben, denn ich habe der Heiligen Jungfrau gelobt, bis zu meiner Hochzeit in jungfräulichem Stand zu verharren.«
»Nun, Babette«, sprach ich nach einer Weile, »ich glaube dir. Aber ist Schererin nicht ein seltsames Gewerbe für eine Jungfer?«
»Ich habe dieses Gewerbe von meinem Vater erlernt, denn er hatte keinen Sohn. Und da er das Unglück hat, seinen Arm nicht mehr gebrauchen zu können, muß ich alljetzt für seinen Unterhalt sorgen, für den meiner Mutter und auch den meinigen.«
»Aber Babette«, so fragte ich darauf, indes sie mir den linken Schenkel schor, »bist du nicht jeden Tag, den Gott werden läßt, den Grobheiten und der zügellosen Begierde der Badgäste ausgesetzt, insonderheit so du wie jetzt allein in einer Kammer dein Werk verrichtest? Hat noch niemals einer versucht, dir Gewalt anzutun?«
»Wie sollte es jemand wagen«, antwortete Babette, »wenn ich das hier in der Hand habe? Und so geschickt damit umgehen kann?«
Bei welchen Worten die blonde Jungfer mit entschlossenem Gesicht, in dem die Augen Feuer zu sprühen schienen, ihr Rasiermesser erhob und mir ins Auge blickte. Doch was sie darin lesen konnte, beruhigte sie sogleich wieder, und indes sie mir in ihrer arglosen Weise von neuem zulächelte, setzte sie ihre Verrichtung fort, welche sie im Handumdrehen beendet hatte.
Auch ihr verehrte ich einen Sol, enttäuscht zwar in meinem schwachen Fleisch, doch gleichzeitig ihre Tapferkeit und Standhaftigkeit bewundernd.
»Oh, Monsieur!« sprach sie, »Gott danke Euch. Ihr nehmt es wenigstens nicht krumm! Gewöhnlich ernte ich beim Gehen nur Beleidigungen und Verhöhnungen ob meiner Weigerung.«
Auch sie gab mir einen kleinen Kuß auf die Wange,
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