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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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anderem als nach Schlaf lechze?«
    Ohne ein Wort hervorzubringen, betrachtete ich Alizon in ihrer Erbitterung und Empörung: mit ihrer dünnen Taille einer wütenden Wespe gleichend, setzte sie sich im Spinnennetz eines harten Schicksals tapfer zur Wehr, ihre spitze Zunge geschickt gebrauchend, so daß die Worte, die sie in ihrer pariserischen Redeweise flink und treffsicher setzte, wie Krallenschläge wirkten. Sapperment! wie lagen mir die Geilböcke, zu denen ich selber zählte, im Magen! So stand ich auf, ging zu meinem Säckel, welchem ich etwas Geld entnahm, und sprach zu ihr ohne Bitterkeit, jedoch auch wenig freundlich:
    »Alizon, ich bin ein Mann, kein Bock. Nimm diese drei Sols, geh nach Hause und schlafe dich nach Herzenslust aus.«
    Allein, diese Worte verdoppelten ihren Grimm. Zornesbleich, die Nase verächtlich verzogen, erhob sie sich von ihrem Schemel und fauchte wie eine Katze vor dem Ofenloch:
    »Was höre ich? Ein Almosen wollt Ihr mir geben? Bin ich eine Bettlerin an der Kirchentür? Habe ich um eine milde Gabe gebeten? Bin ich so tief gesunken? Monsieur«, sprach sie weiter, indes sie mir die drei Sols aus der Hand nahm und sie sogleich in einer Tasche ihres Unterrockes verschwinden ließ, »ich schenke Euch nichts und will von Euch nichts geschenkt haben! Wer bezahlt, wird bedient. Mein Leib gehört Euch für die Nacht!«
    Und ungesäumt, ohne noch ein Wort zu sprechen oder mich anzublicken, die Augen zur Erde gerichtet und die Lippen zusammengekniffen, legte sie all ihre Kleider ab. Ich wagte kaum, sie anzusehen, so hassenswert kam ich mir vor in meiner Scham. Ich spielte eine klägliche Rolle, welche mir höchst zuwider war, und doch wußte ich nicht, wie ich mich da herausziehen sollte.
    Guter Gott! Was tun in dieser vertrackten Lage? Sie mit Gewalt wieder ankleiden? Nach der Baderin rufen? Doch was würde die alte Vettel wohl denken? Nichts anderes, als daßAlizon den Kunden nicht zufriedengestellt, worauf sie vielleicht davongejagt würde. In meiner Ratlosigkeit drehte ich meiner armen kleinen Wespe den Rücken zu und begab mich zu dem vergitterten Fenster, welches auf den Garten hinausging. Es war nicht geschlossen, und so drang in diesem stickigen August etwas kühle Luft herein, welche ich gierig in mich einsog, indes meine Gedanken ganz wirr waren, doch mehr zu Traurigkeit und Selbstverachtung neigten.
    Schließlich wandte ich mich um und betrachtete Alizon in ihrer gänzlichen Nacktheit, jedoch nicht ohne Scham, denn dieses Recht hatte ich mit drei Sols erkauft. Sie war so schlank, wie ich es mir vorgestellt, aber zugleich von runderen Formen, als ich gedacht; zwar noch zitternd vor Zorn, die Augen gesenkt, die Zähne in die Lippen gepreßt, war sie doch lieblich anzusehen, so daß sie mein Verlangen schon angereizt hätte, wenn nur das Herz – das ihre – auch beteiligt gewesen wäre. Allein, ohne ein einziges Wort, mit einem gleichgültigen Blick, als wäre ich ein Tisch oder ein Schemel, streckte sich Alizon auf dem Lager aus, die Augen geschlossen, eine solche Steife und Kälte in ihrer Haltung, daß einer hätte gleich erstarren können. Unversehens ward ich dieses langen Tages als auch der Kümmernis mit Alizon leid.
    Also begab ich mich verdrossen und schlechten Gewissens zur Bettstatt und ließ mich neben ihr nieder, ohne ein Wort zu sagen und ohne sie auch nur mit den Fingerspitzen zu berühren. Ist es nicht frevelhaft, wenn man es recht bedenkt, einen Körper unter Mißachtung des Willens der Seele zu kaufen?
    Doch wie hätte ich mich leichten Herzens meinem Vergnügen hingegeben, wäre das ehrsame Frauenzimmer, mit dem die Baderin mich geködert, eine andere als Alizon gewesen! Ich sah wohl, daß die Arme in ihrem verletzten Stolz alle meine Worte mißdeutet hatte, so daß sie steif wie ein Holzklotz an meiner Seite verharren würde, mit geschlossenen Augen und stummern Mund; und da ich nichts tun wollte und nichts zu sagen wußte, wäre ich schließlich selbst zu einem Klotz erstarrt, wenn mir nicht in den Sinn gekommen wäre, sie zu fragen, ob ihr Kind ein Knab oder Mägdelein und welchen Alters es sei. Diese Frage löste, wie ich gewahrte, die Nägel des Sarges, und die Tote entstieg wieder dem Grabe.
    »Es ist ein Knäblein«, antwortete sie lebhaft (so schläfrig underschöpft sie im Augenblick zuvor noch gewesen), »hübsch und wohlgestalt, das bald das erste Jahr seines Alters vollendet haben wird.«
    »Und siehst du ihn oft, Alizon?«
    »Gott sei’s gedankt, alle

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