Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Baderin sich umwandte, sie an der Hand zu fassen, ward ich ihrer vollends gewahr, sprang, meinen Augen nicht trauend, auf und sprach hastig zur Baderin:
»Einverstanden, Gevatterin! Verlaß uns jetzt!«
»Mein hoher Herr! Es muß im voraus gezahlt werden.«
»Hier, deine drei Sols«, sprach ich, in meinem Säckel suchend. »Zum Teufel, nun geh endlich!«
Verwirrt über diesen plötzlichen Wandel in meiner Aufführung und auch etwas erschreckt von meinem Ton, ging sie zur Kammer hinaus. Ich folgte ihr bis zur Tür, welche ich hinter ihr verriegelte, schritt dann langsam auf das Frauenzimmer zu, das, beide Hände vor dem Gesicht, heiße Tränen weinte, und sprach vorwurfsvoll, doch nicht ohne einige Milde:
»Alizon! Was ist mir das? Du verkaufst deinen Körper in den Badestuben?«
Doch sie antwortete nicht, beide Hände vor das Gesicht gepreßt, die Schultern wie von Fieber geschüttelt, von Kopf bis Zeh zitternd, schluchzte sie zum Gotterbarmen.
»Oh, Alizon!« sprach ich und versuchte dabei, ihre Handgelenke zu ergreifen, um ihr ins Gesicht zu blicken, »wie kommt das? Bist du eine Hure geworden?«
»Eine Hure!« schrie sie, ihre Hände den meinen entwindend und mich mit ihrem tränennassen Angesicht, welches von Kummer und Zorn entstellt war, anblickend. »Ihr wagt es, mich eine Hure zu nennen! Habt Ihr mich nicht vom frühen Morgen bis zum späten Abend und vom späten Abend bis zum frühen Morgen bei dem Erzknauser Recroche werken sehen, so daß ich die letzten beiden Tage nur drei kurze Stunden auf dem Fußboden der Werkstatt schlafen konnte, während der Geizkragen von Meister im Vorzimmer der Baronin wartete? Ha, Monsieur!« fuhr sie mit zornbebender Stimme fort, »kommt es etwa vom Huren, daß mein armer Rücken ganz steif und lahm ist, meine Augen rot und meine Finger von den Nadelstichen schlimmer zugerichtet sind denn das Gesicht eines Gehenkten von den Schnäbeln der Raben? Und vermeinet Ihr, daß eine lüsterne Hur so zum Umfallen müde wär wie ich?«
»Alizon, beruhige dich«, sprach ich, betroffen ob ihres Tones und ihrer abgehackten Rede. »Setz dich dorthin, auf diesen Schemel. Trockne deine dicken Tränen. Entschuldige das Wort Hure, wenn es dich beleidigt. Doch wie kannst du, eine so ehrliche und arbeitsame Jungfer, dich hier in den Badestuben für drei Sols verkaufen?!«
Und indem ich sie am Arm ergriff, versuchte ich, sie auf den Schemel zu drücken, was mir nicht gelang, denn wiederum entwand sie sich mir und wich zurück, die Augen noch immer voller Zorn und Tränen.
»Und wieso«, schrie sie unversehens mit so großer Heftigkeit, daß ich ganz verwundert war, »soll ich nicht das gleiche Recht haben, mich zu verkaufen, wie Ihr, mich zu kaufen?«
Der Hieb saß: mir war das Maulwerk wie zugefroren, ich schwieg nicht ohne Scham (denn mein hugenottisches Gewissen sagte mir, daß sie recht hatte) und schaute sie stumm an.
»Oh!« hub sie wieder an, sich endlich setzend, »ich würde mich gern für weniger verkaufen, für eine Nacht voller Schlaf, wenn ich das Geld nicht für den Unterhalt meines Kindeleins brauchte.«
»Deines Kindeleins!« sprach ich höchstlich erstaunt. »Ich glaubte dich unverheiratet, Alizon.«
»Das bin ich auch. Der Galan, welcher mich geschwängert, hatte hoch und heilig geschworen, mich zum Weibe zu nehmen. Doch kaum sah er die Schwellung meines Leibes, war er auch schon auf und davon, ließ mich sitzen ohne einen Sol, die Amme zu bezahlen.«
»Eine Amme?« fragte ich, »brauchst du denn unbedingt eine Amme?«
»Welch wunderliche Frage!« erwiderte Alizon bissig. »Wie sollte ich wohl nähen mit einem Kind im Arm?«
»Ja, hast du denn keine Mutter, Schwester oder Muhme?«
»Nein«, stieß Alizon zwischen den Zähnen hervor. »Ich bin ganz allein. Die Pest hat sie alle hinweggerafft.«
»Oh, Alizon!« sprach ich, setzte mich ihr gegenüber auf das Bett und ergriff ihre Hand. »Welch schweres Los hast du zu tragen! Verstehe ich recht? Der Lohn von Recroche reicht nicht für dein täglich Brot und die Bezahlung der Amme; und aus dieser Ursach kommst du hierher.«
»Aus welcher denn sonst?« schrie Alizon, indem sie mirwiederum ihre Hand entriß, mich unversehens mit zornblitzenden Augen anblickend. »Vermeinet Ihr etwa, daß ich nach Männern schmachte? Dachtet Ihr, ich ertrüge leichten Herzens diese Geilböcke, welche reich genug sind, meine Nächte zu kaufen, und in deren Bette ich mich wie eine läufige Hündin aufführen muß, indes ich nach nichts
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