Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
ich darauf mit hängendem Kopf und trauriger Miene, »als in mein Périgord zurückzukehren, ohne daß mir der Kopf fester sitzt als zu der Zeit, da ich es verließ.«
»Lasset den Mut nicht so schnell sinken«, erwiderte Nançay. »Der Mann, von dem wir sprechen«, fuhr er, nicht ohne einige Bitterkeit, leise fort, »erzürnt sich, wird halsstarrig, speit Feuer und Flammen, ändert dann aber unversehens seinen Sinn und tut das Gegenteil dessen, was er geschworen. Er ist ein Kreisel, welcher sich, von derselben Hand gelenkt, bald hierhin, bald dahin dreht, immer jedoch mit großem Gebrumm.«
»Und was für eine Hand lenkt ihn?« fragte ich, höchst verwundert, daß der Gardehauptmann auf solche Art von seinem König sprach.
»Eine florentinische.«
»Also muß man sie zu gewinnen suchen?«
»Hütet Euch! Das Wort dieser Dame gilt im Augenblick wenig, denn der König hört nur auf Euern Coligny. Selbiger lockt ihn mit seinem Plan eines Kriegszuges nach Flandern, in welchem Papisten und Hugenotten gemeinsam die aufständischen Geusen gegen den Spanier unterstützen sollen. Der König liebt diesen kriegerischen Traum, obgleich er sich nicht einen Tag im Sattel halten kann, ohne sich die Lunge aus dem Leibe zu husten.«
Nançay konnte nicht weitersprechen, denn der rabenschwarze Bankert von Angoulême näherte sich mit großen Schritten, gefolgt von Téligny, dem liebenswürdigen und offenherzigen Tochtermann Colignys, welcher, solcherart hinter dem Großprior von Frankreich herschreitend, das Bild einer weißen Taube bot, die einem Raben folgt.
»Vorwärts!« rief der Bastard mit rauher Stimme, ohne jemandem einen Gruß zu entbieten, »laßt uns ungesäumt mit Nançay und Siorac eine Doppelpartie machen.«
Und ohne einen von uns zu fragen, wies er mich in seiner schroffen Art Téligny zu und wollte Nançay in seinem Feld haben, sich einen leichten Sieg zu sichern, woraus er zudem noch einige Dukaten Spielgewinn zu ziehen gedachte. Dies aber lehnte Nançay ohne Umschweife ab, nicht gewillt, das Lager der Hugenotten zu schröpfen, welches mit dem sanften Téligny ganz offensichtlich zur Niederlage verurteilt war. Indes der Ballmeister Delay dem Hauptmann die Bälle zur Prüfung reichte, trat ich an Téligny heran; ob er es nicht einrichten könne, fragte ich, daß ich an Coligny herankäme, diesen zu bitten, mein Gesuch an den König zu übermitteln, da selbiger mich für einen Anhänger des Herzogs von Anjou halte und mich nicht empfangen wolle.
»Ob Ihr ein Anhänger des Herzogs seid oder nicht«, erwiderte Téligny in gar höflichem Ton, »ändert zum Unglück nichts an der Sache. Admiral Coligny hat es sich zur unumstößlichen Regel gemacht, kein persönliches Anliegen an den König zu übermitteln, weil er seinen Einfluß allein zur Beförderung der gewichtigen Angelegenheiten des Königreiches verwenden will.«
Ha! dachte ich bei mir, das sieht uns Hugenotten ähnlich!Allein die Pflicht zählt, der einzelne bedeutet nichts! Doch wohin sollen ein solch gerader Sinn und solche Aufrichtigkeit an einem Hofe führen, an welchem nur Falschheit und Hinterlist herrschen?
Es wurde eine recht unerquickliche Paume-Partie, denn der Großprior, höchst verdrossen, nicht so viel zu gewinnen, wie er gehofft, zeigte sich unhöflich, grimmig, streitsüchtig, warf wie sein Halbbruder, der König, seinen Schläger unter schrecklichen Flüchen (welche den armen Téligny zittern machten) zu Boden, stritt hartnäckig um jeden verlorenen Punkt und schleuderte uns böse Blicke zu, wenn wir ein Spiel gewannen, was mehr als einmal geschah, da Monsieur de Nançay, verärgert darob, daß der Bankert ihn bei seiner Einteilung der Spieler nicht gefragt, mit wenig Lust und Schwung spielte und selten nur einen seiner trefflichen Schläge mit verkehrter Hand vollführte.
Immer wenn ich mir heutigentags den Bankert von Angoulême auf jenem friedlichen Spielfeld vorstelle, beschweren mir unversehens zwei andere Bilder den Sinn: zweimal nämlich sah ich ihn noch, einmal beim Scheine einer Fackel in jener unheilvollen Bartholomäusnacht, wie er, den blanken Degen in der Hand, den Leichnam Colignys mit Füßen trat, den seine Mörder aus dem Fenster seines Hauses in der Rue de Béthisy geworfen hatten; und ein letztes Mal am Tage seines eigenen Todes fünfzehn Jahre später im Juni 1586, in Aix-en-Provence – wo ich mich aus bloßem Zufall befand, nicht etwa um diesen Wüterich wiederzusehen –, als er mit Altoviti, dem Hauptmann der
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