Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Galeeren zu Marseille, Streit bekam ob seiner Behauptung, selbiger habe böse Briefe über ihn an den Hof geschrieben, was Altoviti heftig bestritt. Als der Hauptmann ihn in aller Öffentlichkeit dergestalt Lügen strafte, ward der Großprior von einem solch unbezähmbaren Zorn ergriffen, daß er ohne Rücksicht auf sein Amt, ohne Herausforderung, wie ein ehrloser Gesell den Degen zog und Altoviti unversehens durchbohrte, welcher in die Knie sank, jedoch – tödlich getroffen – noch die Kraft fand, einen Dolch aus seinem Wams zu ziehen und ihn dem Großprior in den Leib zu stoßen, bevor er sein Leben aushauchte. Sechs Stunden später folgte ihm der Großprior vor den höchsten Richterstuhl, nachdem er bis zu seinem letzten Atemzuge die lästerlichsten Flüche gegen Altoviti ausgestoßen.
Ohne Quéribus hätte ich wohl das Gefühl gehabt, meine Tage im Louvre in vergeblichem Warten zu verbringen. Doch der Baron war ein solcher Fechtnarr, daß er sich des Morgens und des Nachmittags in dieser Kunst üben mußte, und da ich nichts anderes zu tun hatte, als darauf zu hoffen, daß das Herz des Königs sich mir gegenüber erweiche, folgte ich ihm in den schon beschriebenen Fechtsaal, worinnen er bald mit Giacomi, bald mit Silvie die Klinge kreuzte, welch letzterer seinem italienischen Landsmann gar freundschaftlich zugetan war, denn er gehörte nicht zu den Männern, die ihre große Kunst durch kleinliche Sinnesart herabsetzen. Weit entfernt, in Giacomi den Rivalen zu fürchten, wie dies ein Mann mit weniger Edelmut tun würde, hatte er ihn den Edelleuten seiner Schule empfohlen und ihm also Schüler zugeführt.
Man mußte sich schon zu früher Stunde erheben, wenn man die beiden miteinander fechten sehen wollte, was sie – schier insgeheim – täglich taten, denn nichts ist der Kunst eines Fechtmeisters abträglicher, als den ganzen Tag die Klinge mit wenig geübten Gegnern zu kreuzen. Ich wage nicht zu sagen, ob sie einander ebenbürtig waren oder nicht, und im Gegensatz zu meinem wackeren Miroul vermeine ich, daß dies auch nicht erkennbar war, denn in ihren Übungen wich keiner den Treffern des anderen aus, noch zählte er die eigenen. Sie suchten vielmehr, einander in bestimmten Angriffsstößen zu übertreffen, welche sie sich gegenseitig lehrten, ohne indes das Geheimnis ihrer Fintstöße preiszugeben. Silvie war berühmt für einen Fintstoß in den Hals, welchen er nur den Herzog von Anjou und Quéribus gelehrt, die beide ihm schwören mußten, diesen Stoß nur in höchster Not zur Verteidigung ihres Lebens zu vollführen; denn dieser hagere Riese, so dünn und biegsam wie ein Zwirnsfaden, war wie Giacomi von übergroßer Leutseligkeit, liebte seinen Nächsten mehr als jeder Pastor oder Priester, zeigte sich gegen jedermann liebenswürdig und höflich, liebte seine Kunst nur um ihrer selbst willen, verabscheute Händel und Blutvergießen. Wenn ich Silvie überhaupt tadeln sollte, so würde ich sagen, daß er mir nicht ganz frei von Eitelkeit schien, im Gegensatz zu meinem Bruder Giacomi, welcher die Bescheidenheit in seiner Kunst bis zur Demut steigerte und keinem anderen in Paris außer mir offenbart hatte, daß er – derzeit als einziger auf der Welt – den berühmten Kniestoß, auchJarnac-Stoß genannt, beherrsche, welchen der Baron gleichen Namens vor fünfundzwanzig Jahren in ehrlichem Duell gegen La Chataigneraie angewandt, nachdem er ihn von einem berühmten italienischen Maestro abgelernt, welcher seine Kunst dann an Giacomi weitergegeben.
Den 10ten August, welcher ein Sonntag war, schickte mir Pierre de l’Etoile durch seinen Bedienten ein Schreiben, worinnen er mir zu wissen tat, daß er wie angekündigt käme, mit mir gemeinsam in die Kirche Saint-Eustache (ganz in der Nähe am Ende der Rue des Prouvelles gelegen) zu gehen und dort die Predigt des Pfarrers Maillard zu hören, welcher beim Volke wegen seiner ungestümen Beredsamkeit sehr beliebt war.
Und in der Tat vermeldete Coquillon mir gegen die zehnte Stunde, daß der Herr Audienzrat mich in der Werkstatt erwarte. Ich begab mich sogleich hinab und fand ihn schwarz gekleidet vor, mit sauertöpfischer Miene, spöttelnd und sich zugleich entrüstend ob der schlechten Sitten der Zeit.
»Ah!« rief er aus und betrachtete mich mit einem verkniffenen Lächeln, »dies ist also das Wams, darüber soviel geschwätzt wird! Mein lieber Siorac, was höre ich? Ihr habt Streit gesucht! Anjou schenkt Euch seine Huld! Der König haßt Euch! Und die
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